Sooo, nun ist es endlich wieder so weit Uuuuund: Gaaaaanz langsam aber sehr sicher nähern wir uns den letzten Kapiteln von Lias Geschichte...
Viel Spaß beim Lesen und über Kommis freue ich mich wie immer sehr! Bin ja mal gespannt ob hier noch wer mitliest
Kapitel 19
„Und, wer war’s?”
Ich zuckte zusammen.
Es war Mara, die in diesem Moment aus der Küche in das Wohnzimer kam.
„Tierklinik…”, murmelte ich.
„Geht es dem Hund schlechter?”
„Ganz im Gegenteil. Zum Glück sind diese Kerle so blöd, dass sie zu wenig Gift genommen haben. Allerdings wollen die Klinikleute sich nicht länger um Stan kümmern…”
„Und nun? Muss er ins Tierheim?”
„Black würde ausrasten… Nein. Er zieht hier ein…”
„Was?” Maras Augen weiteten sich und für einen Moment herrschte Stille. Ich machte mich auf Gezeter und Geschreie gefasst, doch dieses blieb aus.
„Das ist ja wunderbar”, quietsche sie. „Ach Lia, du hast so ein gutes Herz. Black wird dich dafür lieben.”
„Ein Hund?”, fragte Kira und aus ihrer Stimmlage ließ sich schließen, dass sie nicht grade begeistert war. „Wieso das denn?”
„Erklär ich dir später”, meinte Mara schnell, bevor ich etwas sagen konnte.
„Ich hole ihn nachher ab. Jetzt fahre ich erstmal in das Krankenhaus…”
„Das Vieh kommt aber nicht ins Wohnzimmer!”, redete Kira dazwischen, doch Mara ignorierte sie.
„Du solltest erst frühstücken…”
„Ich habe schon viel zu viel Zeit verstreichen lassen, ich esse unterwegs”, murmelte ich, während ich aufstand und in mein Zimmer zurückging, um mich anzuziehen. Garantiert würde ich mich nicht noch länger aufhalten lassen.
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“If you're lost you can look and you will find me.
Time after time.
If you fall I will catch you I’ll be waiting
Time after time...”, klang es mir aus dem Autoradio entgegen und ich wurde sehr traurig. Wie schön war es gewesen, auch endlich jemanden gehabt zu haben, der einen verstand und für einen da war, immer wieder. Er hatte mir Halt gegeben und eine Zukunft, und nun war dieses alles in sich zusammengefallen. Ich hatte es kaputt gemacht, als es grade erst angefangen hatte, zu entstehen. Vielleicht war Liebe und Geborgenheit einfach nichts für mich, vielleicht sollte es nicht sein.
Ich lenkte meinen kleinen Citroen durch die Straßen, ohne wirklich auf den Verkehr zu achten. Alles geschah automatisch, als wäre ich eine Marionette, die von unsichtbaren Kräften gelenkt wurde.
Es war still im Krankenhaus, ich hörte nur das Klackern meiner Schuhe auf dem grauen Fußboden. Der Gang erschien mir heute unendlich lang und angsteinflößend, fast bedrängend wirkten die kahlen Wände und das grelle Kunstlicht. Als ich endlich bei der Intensivstation ankam, fühlte ich mich fast erleichtert.
„Ich möchte zu Svart Peters”, meldete ich mich an und auf die Frage nach dem Verwandtschaftsgrad antwortete ich wieder mit einer Lüge.
Als wenn ich schon seit Tagen nichts anderes machte und es totale Routine war, desinfizierte ich mir ohne viel nachzudenken gewissenhaft die Hände und betrat dann das kleine Zimmer.
Ich atmete auf, als ich Black noch immer an seinem Platz liegen sah. Er war nicht gestorben. Natürlich hätten sie mir das gesagt, aber erst jetzt realisierte ich es wirklich. Er war noch da.
Ich setzte mich zu ihm ans Bett und umfasste seine Hand mit der meinen. Noch immer steckten Schläuche in seinem Körper und er schien nicht alleine atmen zu können. Sein Zustand hatte sich nicht verändert. Es war nicht besser geworden, aber wenigstens auch nicht schlechter, was mich beruhigte, denn irgendwie war ich davon ausgegangen.
„Kannst du mich hören?”, fragte ich leise, obwohl ich wusste, dass diese Frage schwachsinnig war. Natürlich konnte er mich nicht hören.
Er war ohnmächtig und bekam nichts von alledem mit. Ob er wohl träumte? Träumte man, wenn man ohnmächtig war? Ich wusste es nicht.
„Du darfst nicht sterben!”, flüsterte ich. Ich wartete auf irgendeine Reaktion, nur ein minimales Zucken oder eine zusammengedrückte Hand, doch nichts geschah, Black blieb regungslos liegen, nur die Linien auf dem Monitor verrieten, dass seine Seele sich noch in dieser Welt befand.
Es war beklemmend ruhig in dem Zimmer, außer der Beatmungsgeräte und dem monotonen Piepen hörte man nichts. Ab und zu huschte eine Schwester im weißen Kittel vorbei, aber das war es auch. Niemand redete. Niemand lachte. Niemand schmiedete Pläne oder redete über mitgebrachte Blumen, wie ich es von Krankenhausbesuchen aus meiner Kindheit kannte.
Niemand beschwerte sich über das Essen oder die Pfleger oder das Wetter, es lag einfach nur eine drückende Stille über der Station. Todesstille.
„Stan geht es gut”, flüsterte ich wieder. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, er ist gesund. Ich nehme ihn heute zu mir und verspreche, immer mit ihm spazieren zu gehen! Ich bin sicher, dass er dich vermisst. Du musst wiederkommen, hörst du Black, du musst! Lass uns nicht alleine!”
„Sie müssen Frau Reichner sein”, hörte ich eine Stimme sagen und ich fuhr erschrocken zusammen.
Als mich umdrehte, sah ich in die Augen eines Arztes. Er stand hinter mir, neben ihm die Schwester von gestern.
„Ich bin Dr. Volker und Herr Peters behandelnder Arzt. Freut mich, Sie kennen zu lernen!”, stellte sich der grauhaarige Mann vor.
Er streckte mir seine Hand entgegen und ich schüttelte sie zögernd.
„Wie geht’s es ihm?”, fragte ich vorsichtig und hoffte sehr auf eine nicht allzu negative Antwort.
„Na ja, den Umständen entsprechend, würde ich sagen”, meinte der Arzt kurz und warf einen kurzen Blick auf die Monitore.
„Was hat er denn genau?”, fragte ich und versuchte, so gut es ging zuzuhören und mir alles zu merken.
Der Arzt sah mich an und räusperte sich, dann sah er auf einen Zettel in seiner Hand.
„Herr Peters hat eine Stichverletzung am Hals erlitten, was zu einem Trauma an Carotis und Trachea und somit zu einem großen Blutverlust führte. Als wir am Ort des Überfalls ankamen, hatte die Zyanose bereits eingesetzt und man hat einen Volumenmangelschock festgestellt.”
Entgeistert sah ich ihn an. Genauso hatte ich mir so ein Gespräch vorgestellt. Ich verstand ungefähr genauso viel, als würde er auf chinesisch mit mir reden. Das war doch immer das Gleiche, wann würden die Ärzte endlich lernen, vernünftiges Deutsch zu sprechen?
„Die Vital-, also die Lebensfunktionen ihres Verlobten sind momentan eingeschränkt. Zu allem Unglück kam es zu einer endotrachealen Infektion, welche die Behandlung sehr erschwert. Mit den zahlreichen Blutkonserven gab es immunologische Komplikationen, außerdem…”
„Ich habe keine Ahnung, was sie mir sagen wollten!”, unterbrach ich den Mann barsch und sackte auf meinem Stuhl zusammen.
„Ich verstehe kein Wort!”
Die blonde Schwester lächelte und sah mich verständnisvoll an.
„Ich erkläre es Ihnen”, bot sie mit ihrer angenehmen Stimme an.
„Was Dr. Volker Ihnen sagen will, ist, dass Herr Peters eine große Menge Blut verloren hat, dadurch konnte sein Kreislauf nicht mehr richtig funktionieren und ist zusammengebrochen.”
Sie überlegte kurz, dann fuhr sie fort.
„Er muss künstlich beatmet werden. Leider sind Bakterien in die Wunde eingedrungen, auf die sein Körper reagiert, was die Behandlung nicht grade einfacher macht. Außerdem hat sein Immunsystem, laienhaft ausgedrückt, allergisch auf die Blutkonserven reagiert. Das kommt sehr selten vor, aber leider lässt es sich nicht immer ganz vermei…”
„Und was heißt das?”
„Das können wir noch nicht so genau sagen, wir versuchen natürlich unser Bestes. Wir können nur hoffen, dass wir erstmal die bakterielle Infektion unter Kontrolle kriegen, damit wäre einiges geschafft.”
„Ja, denn machen Sie das mal!”
„Das Problem ist, dass Herr Peters Körper im Moment sehr geschwächt ist und sich erstmal erholen muss. In dieser Zeit können die Bakterien aber schon weiters Unheil anrichten.”
„Er wird also sterben ja?!” Wütend fun kelte ich die Schwester an. „Ist es das, was sie mir sagen wollen?!”
„Nun beruhigen Sie sich doch, Frau Reichner!”, entgegnete sie und legte eine Hand auf meine Schulter.
„Die moderne Medizin ist oft in der Lage, scheinbar aussichtslose Situationen noch…”
„Also ist es ausweglos...”
Ich ließ mich auf den harten Stuhl fallen, vergrub das Gesicht in meinen Händen und es fühlte sich an, als würden sich heiße Tränen in meine Haut brennen.
„Er hat eine reelle Chance”, hörte ich die Schwester noch sagen, dann hörte ich nicht mehr zu. Wieso hatte ich bloß gefragt? Meine positive Laune war wie weggeblasen und schon wieder erschien mir die Situation absolut ausweglos. Ich fühlte mich alleine, hilflos und vor allem eins: Schuldig.
Als ich wieder aufsah, war alles um mich herum still. Schwester und Arzt waren verschwunden, und es schien, als hätte man das letzte Leben aus diesem tristen Ort gesogen. Auch Black erschien mir nicht mehr lebendig. Seine Haut war aschfahl und er lag regungslos da, wie eine Puppe. Das Heben und Senken seines Brustkorbs sah nicht mehr wie ein Atmen aus, sondern wie die Bewegungen einer Maschine, und eigentlich war es ja auch nichts anderes.
Wieso? Ich verstand es nicht. Black hatte niemandem was getan, er war ein guter Mensch. Nun lag er hier auf der kalten Intensivstation, umgeben von Geräten und Blutkonserven, während Joe und seine Gang sich bester Gesundheit erfreuten.
Meine Stirn runzelte sich, und ich wurde plötzlich sehr wütend. Erst jetzt wurde mir richtig klar, dass es kein dummer Unfall oder Zufall war, dass Black hier lag, sondern dass Joe und seine Kumpanen das beabsichtigt hatten. Black war Opfer eines Mordanschlags geworden. Diese Mistkerle! Niemals hätte ich geahnt, dass Menschen wirklich zu so was fähig waren, immer waren mir solche Taten so weit weg erschienen, niemals hatten sie mich berührt. Nun war ich mitten drin gewesen. Und nicht nur das, sondern auch noch Schuld daran.
„Wenn du in den Himmel gehst, komme ich mit”, flüsterte ich und schon wieder liefen mir Tränen über die Wangen.
Ich hatte nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Streng genommen hatte ich nie etwas gehabt. Keine Freunde, keine Familie, keinen Spaß, keine Freude. Es gab nichts was ich wirklich konnte, außer andere Leben auslöschen. Erst mein Bruder. Jetzt Black.
Mein Bruder. Es fühlte sich an, wie ein Stich ins Herz. Auch an seinem Tod war ich Schuld gewesen. Ich hatte nicht aufgepasst, ihn in den Tod rennen lassen. Auch er hatte im Krankenhaus an irgendwelchen Maschinen gehangen, hilflos, unschuldig. ‚Das wird schon wieder’, hatten die Ärzte gepredigt, und ein paar Stunden später war er tot. Nur ich kam immer ungeschoren davon. Ich, die an allem Schuld war. Mir passierte nie etwas.
„Ich lasse dich nicht alleine!”, wiederholte ich. „Ich komme mit dir.”