Als Turnusarzt war es nicht leicht, Zeit zu finden, um einen Freund zu treffen – besonders, da der größte Teil seiner Freizeit dafür drauf ging, mit verschiedenen Frauen zu schlafen. Heute aber fasst sich Don ein Herz und rief Hugo Traumtänzer an. Was konnte schon schief laufen?
„Hey, Kumpel! Lange nichts gehört. Tut mir leid, ich war beschäftigt, du weißt schon – die Arbeit und alles – aber hey: Warum kommst du nicht vorbei zum Abhängen?“
„Uhm, sorry…denkst du, wir sind FREUNDE?“
„Was meinst du mit „denke ich“? Natürlich sind wir Freunde!“
„Okay, wie erkläre ich dir das…Wir stehen uns nicht besonders nahe…“ Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. Tatsächlich hasste Hugo Don. Er hatte ihn nie besonders gemocht und seit Kass sich in ihn verliebt hatte…tja, irgendwie sah er ihn als Feind an.
„Was? Aber…komm schon, Mann! Wir haben so viel gemeinsam! Wir sind beide Freigeister, ignorieren die Regeln und Bürden der Gesellschaft! Hippies, weißt du? Wir gehören zusammen!“
Als Don merkte, wie der letzte Satz klang, fügte er hinzu „Wir gehören als Freunde zusammen.“
„Ehrlich gesagt, wir sind nie besonders miteinander ausgekommen…“
„Ja, aber doch nur, weil wir so wenig Zeit miteinander verbracht haben. Komm schon! Sei nicht gemein. Gib deinem Herzen einen Ruck! Nur ein bisschen abhängen, auf meiner Terrasse. Ich habe Drinks und so.“
Hugo war sich nicht sicher, was genau ihn dazu gebracht hatte, nun tatsächlich auf Don’s Terrasse zu sitzen. Vielleicht lag es daran, dass er am Telefon so verzweifelt geklungen hatte. Vielleicht war es, weil er sich Kass gegenüber schuldig fühlte. Was auch immer der Grund war, hier war er nun, also konnte er genauso gut versuchen, sich zu amüsieren.
„Möchtest du einen Cocktail? Ich mixe fast alles für dich.“
„Nein, danke, ich bin kein großer Trinker.“
Don versuchte, das Gespräch in Gang zu bringen. Nachdem Hugo ihn nicht als Freund bezeichnete, schien es ihm falsch, ihm gleich mit seinen Problemen zuzuschütten.
„Also, wie läuft die Malerei? Ich habe dein Interview im SimCityChronicle gelesen. Gut gemacht, Kumpel!“
Hugo ignorierte das „Kumpel“, obwohl es ihm dämlich erschien, so genannt zu werden. „Hast du mich deshalb eingeladen?“ Dass er mit Kassandra geschlafen hatte, war offensichtlich nicht der Grund, denn der Typ hatte offensichtlich keinen blassen Schimmer davon.
„Was? Nein, Kumpel! Ich wollte nur hören, was in deinem Leben so los ist?“
Ich wäre ein Narr, dir das zu erzählen und mit ziemlicher Sicherheit würdest du es auch nicht hören wollen, dachte Hugo. Er sagte stattdessen. „Es ist ziemlich cool. Das, was ich schon immer machen wollte.“
„Ja, ist das nicht wunderbar? Nur das machen, was man will? Sein eigenes Leben leben? Sich nicht den ungeschriebenen Regeln des Spießertums unterwerfen? Ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich bin schon immer so gewesen.
Don hielt es für dringend nötig, ihre Gemeinsamkeiten hervorzuheben.
„Aber jetzt heiratest du Kassandra.“
„Richtig.“
Und sieh mal einer an, da sind wir schon beim Thema, dachte Don.
„Lass uns rein gehen. Es wird Zeit fürs Abendessen.“
„Wow, ich wusste nicht, dass du kochen kannst. Das sieht köstlich aus.“
„Es ist nur Nudelsuppe. Jeder kann das.“
„Ich hab nur versucht, freundlich zu sein.“
„Oh.“
„Also, was du vorher gesagt hattest…dass ich Kassandra heirate…“
„Hmm?“
„Das war eigentlich der Grund, wieso ich mit dir reden wollte. Weil ich weiß, dass du ein gutes Herz hast und offen genug bist, mich nicht zu verurteilen.“
„Oh.“ Hugo fühlte, wie sein schlechtes Gewissen wuchs.
„Ich bin mir ehrlich gesagt nicht mehr so sicher…wegen der Hochzeit.“
„Du bist dir unsicher über deine Gefühle?“
„Naja, nicht wirklich. Ich liebe Kassandra, das weiß ich bestimmt. Worüber ich mir nicht so sicher bin, ist Monogamie…“
„Oh.“ Wer hätte denn das gedacht, Don Lothario?, dachte Hugo.
„Aber, vielleicht bin ich nur nervös vor der Ehe? Viele Menschen fühlen sich davor unsicher, nicht wahr? Immerhin ist es ein großer Schritt.“
„Das stimmt sicher.“ Hugo versuchte, seine Worte weise zu wählen. Er hatte Don an einem wunden Punkt getroffen. Dieser schien sich wirklich für seine Meinung zu interessieren. Im Moment hätte er womöglich sogar die Macht dazu, ihn zu überzeugen Kassandra nicht zu heiraten. Aber wollte er das wirklich?
Nein, natürlich nicht. So sehr er gehofft hatte, sie würde ihn wählen, war das nicht fair ihnen gegenüber. Sie mussten ihre eigenen Entscheidungen treffen.
„Ich verstehe es einfach nicht. Wie schaffen andere Leute das? Wie kannst du sagen, du liebst eine einzige Person und möchtest in Zukunft nicht einmal jemand anderen küssen? Entwickelt sich das mit der Zeit?“
„Ehrlich gesagt, als ich verheiratet war, wollte ich niemals jemand anderen als Doro küssen. Ich kann dir da also nicht helfen, tut mir leid. Vielleicht kommt es ja bei dir eines Tages auch so.“
„Hmm…ich wünschte wirklich, ich könnte auch so sein. Es würde das Leben viel einfacher machen.“
Sie saßen eine Weile schweigend da, starrten beide in ihre leeren Schüsseln. Hugo begann zu verstehen, wie Don sich fühlte und hasste ihn ein bisschen weniger. Eigentlich hatte er sogar etwas Mitgefühl für ihn.
„Also, sollen wir die Schüsseln abwaschen?“
„Ach, lass sie einfach da, die Putzfrau wird sich morgen darum kümmern.“
„Don!“ Hugo trug die Schüsseln zur Spüle.
„Was?“
„Du kannst die dreckigen Schüsseln doch nicht die ganze Nacht da stehen lassen.“
„Sorry.“ Die Erwähnung von Katharina machte ihn noch nachdenklicher.
„Was, wenn ich mich nie ändere? Wenn ich immer so bleibe? Kann ich dann jemals eine echte Beziehung haben?“
Hugo sah in die ängstlichen Augen seines Gegenübers. „Hmm, vielleicht kannst du lernen, dein Verlangen nach anderen Frauen zu unterdrücken.“
„Hmm…vielleicht.“
Dann besann er sich auf einen anderen Gedanken. „Weißt du, was Nina vorgeschlagen hat? Dass Kassandra und ich eine offene Ehe führen.“
„Eine offene Ehe?“ Nun, das war interessant. Besonders, nach den neusten Vorkommnissen.
„Denkst du, sie wäre bereit dazu?“
„Hmm…vielleicht? Wieso fragst du sie nicht?“
„Weil ich ihr dann sagen müsste, dass ich sie betrogen habe…“
„Du hast WAS?“, Hugo sprang auf die Füße. „Ich wusste es. Ich wusste es die ganze Zeit. Du hast dich kein bisschen verändert!“
Don war überrascht vom plötzlichen Wutanfall seines Freundes.
„Ich habe dir doch gerade gesagt, wie schwierig es ist, treu zu sein. Ich dachte, du würdest das verstehen.“
„Also, ich schätze du hast wieder mit Nina geschlafen? Und wem noch? Komm schon, ein Casanova wie du ist sicherlich nicht mit nur zwei Frauen befriedigt!“
„Katharina noch…“
„Du Putzfrau? Oh mein Gott, wow. Wann hattest du vor, Kassandra davon zu erzählen?“
„Was ist in dich gefahren?“ fuhr Don ihn an, als er sich von seinem ersten Schock erholt hatte.
„In mich? Du bist derjenige, der verlobt ist und mit jeder Frau schläft, die nicht bei Drei auf den Bäumen ist!“
„Weißt du, der Grund, wieso ich dir davon erzählt habe, ist, dass ich dir vertraut habe und gedacht habe, du würdest anders reagieren als so!“
Hugo konnte sehen, dass Don verletzt war. Sofort tat es ihm leid. Trotzdem, er hasste ihn. Warum hatte Kassandra diesen Idiot ihm vorgezogen?
„Du verdienst sie nicht!“
Don schluckte. „Ich weiß.“
Das beruhigte Hugo ein wenig. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht…“
„Nein, du hast Recht. Die Frage ist, was tue ich jetzt?“
„Du musst es ihr sagen. Du schuldest ihr zumindest das.“
Don schluckte erneut. Er wusste, dass Hugo recht hatte, aber war sich nicht so sicher, ob er die Courage hatte, seinem Ratschlag zu folgen.
Sie sahen sich stumm an.
„Hugo?“
„Ja?“
„Danke fürs Zuhören und…alles….“
„Bitte, dank mir nicht.“
Als sie sich verabschiedeten, konnte Hugo seine Schuldgefühle kaum mehr ertragen. Wer hätte erwartet, dass er so etwas wie Sympathie für Don Lothario fühlen konnte? Bedrückt und niedergeschlagen ging er heim.
Und bevor sie sich schlafen legten, hatten beide nur einen Gedanken: „Ich bin wahrscheinlich der furchtbarste Mensch überhaupt.“