@Flapp Vielen Dank!
Hab dir grad schon eine PN geschickt!
@>Moonlight< Vielen Lieben Dank für das Kompliment!
Benachrichtigung geht natürlich raus!
Hab dir grad schon eine PN geschickt!
@>Moonlight< Vielen Lieben Dank für das Kompliment!
Benachrichtigung geht natürlich raus!
Kapitel 5 - Der MacKenzie
Ich erwachte in einem Zustand gänzlicher Verwirrung. Ich
besann mich vage darauf, dass etwas nicht stimmte, wusste aber nicht mehr, was.
Tatsächlich hatte ich so fest geschlafen, dass ich mich einen Moment nicht
daran erinnern konnte, wer ich war. Im Raum herrschte klirrende Kälte, und ich
wollte mich wieder in meine Decke verkriechen, doch die Stimme, die mich
geweckt hatte, wollte noch etwas von mir.
"Kommen sie, Mädchen! Sie müssen jetzt aufstehen!" Es war
eine tiefe und leutselig kommandierende Stimme, dem Bellen eines Schäferhundes
nicht unähnlich. Mistress FitzGibbons! Bei ihrem Anblick gewann ich schockiert
das Bewusstsein wieder. Es war also immer noch wahr.
Taumelnd erhob ich mich aus dem Bett und steuerte so rasch
wie möglich auf das Feuer zu. Mistress FitzGibbons hatte eine Tasse heißer
Brühe für mich hingestellt; ich trank sie langsam aus und fühlte mich wie die
Überlebende eines schweren Luftangriffs.
Derweil legte Mistress FitzGibbons einen kleinen Stapel
Kleider aufs Bett:
ein langes gelbliches Kleid, mit Spitze gesäumt, ein
Unterrock aus feiner Baumwolle und ein zitronengelbes Leibchen.
Braungestreifte Wollstrümpfe und ein Paar gelbe Pantoffeln vervollständigten
das Ensemble.
Energisch scheuchte mich die Dame aus meinen alten Sachen
und überwachte, wie ich die neuen anzog. Schließlich trat sie zurück und
betrachtete zufrieden ihr Werk.
"Gelb steht ihnen, Mädchen; das habe ich mir gedacht. Passt
gut zu ihren braunen Haaren und hebt das Gold in ihren Augen hervor. Moment
wir brauchen noch ein paar Bänder."
Zu erstaunt, um Widerstand zu leisten, duldete ich, dass
sie mir die Haare frisierte. Sie tätschelte mich, steckte hier eine Locke fest
und glätte jede Falte meines Gewandes.
"Jetzt gefallen sie mir. Wir haben gerade noch genug Zeit,
um einen Bissen zu essen, dann muss ich sie zu ihm bringen."
"Zu wem?" Die Aussicht behagte mir nicht. Wer auch immer er
sein mochte, er würde sicher knifflige Fragen stellen.
"Zum MacKenzie natürlich. Zu wem sonst?"
~ ~ ~
Ja, zu wem sonst? Burg Leoch, daran erinnerte ich mich
verschwommen, lag inmitten der Ländereien des MacKenzie-Clans. Und dessen
Oberhaupt war der MacKenzie.
Der Burgherr empfing mich in einem Raum, zu dem man über eine
steinerne Treppe gelangte. Es war ein rundes Turmzimmer, das reich mit
Gemälden und Gobelins geschmückt war. Während der Rest der Burg einigermaßen
behaglich, wenn auch ziemlich kahl zu sein schien, herrschte in diesem Raum
luxuriöse Fülle.
Beim Eintreten fiel mein Blick sofort auf einen riesigen
Metallkäfig, der geschickt in die Mauer eingebaut war und Dutzenden von
Finken, Ammern, Meisen und Waldsängern Platz bot. Das muntere Zwitschern war
von Flügelschwirren und Rascheln durchsetzt, so eifrig flatterten und hopsten
sie herum.
"Geschäftige kleine Gesellen, nicht wahr?" fragte eine tiefe,
angenehme Stimme hinter mir,
und ich drehte mich mit einem Lächeln um, das im Nu gefror.
Colum MacKenzie hatte die gleiche hohe Stirn wie sein Bruder
Dougal. Er war dunkler als Dougal und hatte graue statt braune Augen. Er rief
jedoch den gleichen Eindruck von Intensität hervor - als stünde er näher bei
einem, als einem lieb war.
Mein Unbehagen rührte allerdings von etwas anderem her:
Der wohlgeformte Kopf und der lange Oberkörper wurden von
erschreckend krummen und kurzen Beinen getragen. Der Mann, der mindestens 1,80
hätte messen müssen, reichte mir kaum bis zur Schulter.
"Ich begrüße sie, Mistress", sagte er mit einer leichten
Verbeugung. "Mein Name ist Colum ban Campbell MacKenzie, und ich bin der Herr
dieser Burg. Mein Bruder berichtet mir, dass er ihnen in einiger Entfernung
von hier, äh, begegnet ist."
"Er hat mich entführt, wenn sie´s genau wissen wollen",
sagte ich. Ich hätte das Gespräch gerne höflich gehalten, doch noch dringender
wollte ich diese Burg verlassen und zum Steinkreis zurückkehren. "Nun gut."
Ich winkte ab und gab damit huldvoll zu verstehen, dass ich bereit war, die
Angelegenheit zu vergessen. "Ich will wohl glauben, dass es möglicherweise zu
einem Missverständnis gekommen ist. Trotzdem wäre ich ihnen sehr dankbar, wenn
ich zu dem Ort zurückgebracht werden könnte, an dem er mich ... aufgefunden
hat."
"Hm." Die Brauen hochgezogen, deutete Colum auf einen
Sessel, und ich setzte mich widerwillig. "Wie ich höre, hat mein Bruder euch
in... äh Nöten angetroffen." Colum schien ein Lächeln zu verbergen und ich
fragte mich, was man ihm über meinen vermeintlich kaum bekleideten Zustand
erzählt hatte.
Ich holte tief Atem. Es wurde Zeit für die Erklärung, die
ich mir ausgedacht hatte.
Ich wollte so nah wie Möglich bei der Wahrheit bleiben, um
mich nicht später in Widersprüche zu verwickeln. Und so, Gott steh mir bei,
erzählte ich.
Ich erzählte von Randalls Überfall und dem Kampf mit den
Schotten - Alles nachprüfbare Fakten.
Colum achtete auf jedes Wort. "Aber wie", fragte er, "sind
sie an diesen Ort geraten? Er liegt weit ab von der Strasse nach Inverness, wo
sie sich einschiffen wollten, vermute ich." Ich nickte und holte tief Luft.
Jetzt betraten wir notgedrungen das Reich der Phantasie.
Ich stammte aus Oxfordshire, sagte ich, sei verwitwet (was
gewissermaßen der Wahrheit entsprach) und war mit einem Diener auf dem Weg zu
entfernten Verwandten in Frankreich gewesen (das schien mir entlegen genug, um
sicher zu sein). Räuber hätten uns überfallen, mein Diener sei getötet worden,
und ich musste mein Pferd samt aller Habe zurücklassen. Bei meiner Flucht
durch den Wald sei ich dann auf Randall getroffen.
Ich lehnte mich ein wenig zurück, recht zufrieden mit meiner
Geschichte. Einfach, stimmig, in allen überprüfbaren Einzelheiten wahr.
Colums Miene drückte nicht mehr als höfliches Interesse aus.
Er öffnete den Mund, um mir eine Frage zu stellen, als ein leises Geräusch von
der Tür kam. Ein Mann trat ein und brachte Colum einen Lederkasten. Das
Oberhaupt des MacKenzie-Clans verabschiedete sich formvollendet und
versicherte mir, dass er bald zurück sei, um unser fesselndes Gespräch
fortzusetzen.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als ich auch
schon beim Bücherregal war und mit den Fingern über die Lederrücken der Bücher
fuhr. In fliegender Hast schlug ich die Titelseiten verschiedener
Bücher auf. In vielen fand sich keine Jahreszahl; die meisten anderen waren zwischen
1720 und 1742 veröffentlicht worden. Colum schien zwar Wert auf Luxus zu
legen, aber er kein Antiquitätensammler zu sein. Die Bucheinbände waren
neu, und die Seiten hatten weder Risse noch Stockflecken.
Ich vergaß meine Skrupel, durchwühlte schamlos den
Schreibtisch aus Ölbaumholz und spitzte die Ohren, um ihn zurückkommen zu
hören. Ich fand das, wonach ich wohl gesucht hatte, in der mittleren
Schublade. Einen halbvollendeten Brief, mit flüssiger Schrift geschrieben, die
durch exzentrische Orthographie und das beinahe völlige Fehlen von Satzzeichen
nicht unbedingt leserlicher wurde. Das Papier war frisch und rein, die Tinte
tiefschwarz. Das Datum am oberen Rand der Seite sprang mich an wie eine
Flammenschrift:
20ster April 1743
Als Colum ein paar Minuten später zurückkehrte, saß ich im
Sessel und hatte die Hände züchtigt in den Schoß gelegt. Ich saß, weil mich
meine Beine nicht mehr trugen, und ich presste die Hände in meinen Schoß, um
das Zittern zu verbergen.
Nachdem er sich kurz für seine Abwesenheit entschuldigt
hatte, betrachtete er mich sinnend und fragte: "Aber weshalb, Mistress
Beauchamp, haben die Männer meines Bruders sie im Hemd angetroffen? Auch wenn
man sich doch so einiges über Hauptmann Randall erzählt, würde es mich doch
schwer wundern, wenn er verirrte Damen schändet."
"Ach ja?" entgegnete ich barsch. "Was immer sie gehört
haben, der Hauptmann ist dazu im Stande."
Bei meiner Geschichte hatte ich meine Kleidung vergessen,
und ich fragte mich, an welchem Punkt unseres Zusammentreffens Murtagh den
Hauptmann und mich entdeckt hatte.
"Gut", sagte Colum. "Möglich wäre es. Der Mann hat gewiss
einen schlechten Ruf."
"Möglich?" fragte ich. "Warum nur möglich? Glauben sie mir
etwa nicht?"
In Colums Miene spiegelte sich eine leise, unverhohlene
Skepsis.
"Wenn sie nicht glauben, dass ich bin, wer ich zu sein
behaupte, für wen halten sie mich dann, verdammt?"
Colum verzog das Gesicht, bestürzt über meine Sprache, doch
dann festigten sich seine scharfgeschnittenen Gesichtszüge wieder.
"Das bleibt abzuwarten", sagte er. "Unterdessen, Mistress,
sind sie auf Leoch ein gern gesehner Gast."
Colum sprach die Worte nicht aus, aber er hätte es durchaus
tun können. Jedenfalls hingen sie, als ich ging, klar und deutlich in der
Luft:
Bis ich herausgefunden habe, wer sie wirklich sind.
~ ~ ~

Ich erwachte in einem Zustand gänzlicher Verwirrung. Ich
besann mich vage darauf, dass etwas nicht stimmte, wusste aber nicht mehr, was.
Tatsächlich hatte ich so fest geschlafen, dass ich mich einen Moment nicht
daran erinnern konnte, wer ich war. Im Raum herrschte klirrende Kälte, und ich
wollte mich wieder in meine Decke verkriechen, doch die Stimme, die mich
geweckt hatte, wollte noch etwas von mir.

"Kommen sie, Mädchen! Sie müssen jetzt aufstehen!" Es war
eine tiefe und leutselig kommandierende Stimme, dem Bellen eines Schäferhundes
nicht unähnlich. Mistress FitzGibbons! Bei ihrem Anblick gewann ich schockiert
das Bewusstsein wieder. Es war also immer noch wahr.

Taumelnd erhob ich mich aus dem Bett und steuerte so rasch
wie möglich auf das Feuer zu. Mistress FitzGibbons hatte eine Tasse heißer
Brühe für mich hingestellt; ich trank sie langsam aus und fühlte mich wie die
Überlebende eines schweren Luftangriffs.

Derweil legte Mistress FitzGibbons einen kleinen Stapel
Kleider aufs Bett:
ein langes gelbliches Kleid, mit Spitze gesäumt, ein
Unterrock aus feiner Baumwolle und ein zitronengelbes Leibchen.
Braungestreifte Wollstrümpfe und ein Paar gelbe Pantoffeln vervollständigten
das Ensemble.

Energisch scheuchte mich die Dame aus meinen alten Sachen
und überwachte, wie ich die neuen anzog. Schließlich trat sie zurück und
betrachtete zufrieden ihr Werk.

"Gelb steht ihnen, Mädchen; das habe ich mir gedacht. Passt
gut zu ihren braunen Haaren und hebt das Gold in ihren Augen hervor. Moment
wir brauchen noch ein paar Bänder."
Zu erstaunt, um Widerstand zu leisten, duldete ich, dass
sie mir die Haare frisierte. Sie tätschelte mich, steckte hier eine Locke fest
und glätte jede Falte meines Gewandes.

"Jetzt gefallen sie mir. Wir haben gerade noch genug Zeit,
um einen Bissen zu essen, dann muss ich sie zu ihm bringen."
"Zu wem?" Die Aussicht behagte mir nicht. Wer auch immer er
sein mochte, er würde sicher knifflige Fragen stellen.
"Zum MacKenzie natürlich. Zu wem sonst?"
~ ~ ~

Ja, zu wem sonst? Burg Leoch, daran erinnerte ich mich
verschwommen, lag inmitten der Ländereien des MacKenzie-Clans. Und dessen
Oberhaupt war der MacKenzie.
Der Burgherr empfing mich in einem Raum, zu dem man über eine
steinerne Treppe gelangte. Es war ein rundes Turmzimmer, das reich mit
Gemälden und Gobelins geschmückt war. Während der Rest der Burg einigermaßen
behaglich, wenn auch ziemlich kahl zu sein schien, herrschte in diesem Raum
luxuriöse Fülle.

Beim Eintreten fiel mein Blick sofort auf einen riesigen
Metallkäfig, der geschickt in die Mauer eingebaut war und Dutzenden von
Finken, Ammern, Meisen und Waldsängern Platz bot. Das muntere Zwitschern war
von Flügelschwirren und Rascheln durchsetzt, so eifrig flatterten und hopsten
sie herum.

"Geschäftige kleine Gesellen, nicht wahr?" fragte eine tiefe,
angenehme Stimme hinter mir,
und ich drehte mich mit einem Lächeln um, das im Nu gefror.

Colum MacKenzie hatte die gleiche hohe Stirn wie sein Bruder
Dougal. Er war dunkler als Dougal und hatte graue statt braune Augen. Er rief
jedoch den gleichen Eindruck von Intensität hervor - als stünde er näher bei
einem, als einem lieb war.
Mein Unbehagen rührte allerdings von etwas anderem her:
Der wohlgeformte Kopf und der lange Oberkörper wurden von
erschreckend krummen und kurzen Beinen getragen. Der Mann, der mindestens 1,80
hätte messen müssen, reichte mir kaum bis zur Schulter.

"Ich begrüße sie, Mistress", sagte er mit einer leichten
Verbeugung. "Mein Name ist Colum ban Campbell MacKenzie, und ich bin der Herr
dieser Burg. Mein Bruder berichtet mir, dass er ihnen in einiger Entfernung
von hier, äh, begegnet ist."
"Er hat mich entführt, wenn sie´s genau wissen wollen",
sagte ich. Ich hätte das Gespräch gerne höflich gehalten, doch noch dringender
wollte ich diese Burg verlassen und zum Steinkreis zurückkehren. "Nun gut."
Ich winkte ab und gab damit huldvoll zu verstehen, dass ich bereit war, die
Angelegenheit zu vergessen. "Ich will wohl glauben, dass es möglicherweise zu
einem Missverständnis gekommen ist. Trotzdem wäre ich ihnen sehr dankbar, wenn
ich zu dem Ort zurückgebracht werden könnte, an dem er mich ... aufgefunden
hat."

"Hm." Die Brauen hochgezogen, deutete Colum auf einen
Sessel, und ich setzte mich widerwillig. "Wie ich höre, hat mein Bruder euch
in... äh Nöten angetroffen." Colum schien ein Lächeln zu verbergen und ich
fragte mich, was man ihm über meinen vermeintlich kaum bekleideten Zustand
erzählt hatte.
Ich holte tief Atem. Es wurde Zeit für die Erklärung, die
ich mir ausgedacht hatte.
Ich wollte so nah wie Möglich bei der Wahrheit bleiben, um
mich nicht später in Widersprüche zu verwickeln. Und so, Gott steh mir bei,
erzählte ich.
Ich erzählte von Randalls Überfall und dem Kampf mit den
Schotten - Alles nachprüfbare Fakten.

Colum achtete auf jedes Wort. "Aber wie", fragte er, "sind
sie an diesen Ort geraten? Er liegt weit ab von der Strasse nach Inverness, wo
sie sich einschiffen wollten, vermute ich." Ich nickte und holte tief Luft.
Jetzt betraten wir notgedrungen das Reich der Phantasie.
Ich stammte aus Oxfordshire, sagte ich, sei verwitwet (was
gewissermaßen der Wahrheit entsprach) und war mit einem Diener auf dem Weg zu
entfernten Verwandten in Frankreich gewesen (das schien mir entlegen genug, um
sicher zu sein). Räuber hätten uns überfallen, mein Diener sei getötet worden,
und ich musste mein Pferd samt aller Habe zurücklassen. Bei meiner Flucht
durch den Wald sei ich dann auf Randall getroffen.
Ich lehnte mich ein wenig zurück, recht zufrieden mit meiner
Geschichte. Einfach, stimmig, in allen überprüfbaren Einzelheiten wahr.

Colums Miene drückte nicht mehr als höfliches Interesse aus.
Er öffnete den Mund, um mir eine Frage zu stellen, als ein leises Geräusch von
der Tür kam. Ein Mann trat ein und brachte Colum einen Lederkasten. Das
Oberhaupt des MacKenzie-Clans verabschiedete sich formvollendet und
versicherte mir, dass er bald zurück sei, um unser fesselndes Gespräch
fortzusetzen.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als ich auch
schon beim Bücherregal war und mit den Fingern über die Lederrücken der Bücher
fuhr. In fliegender Hast schlug ich die Titelseiten verschiedener
Bücher auf. In vielen fand sich keine Jahreszahl; die meisten anderen waren zwischen
1720 und 1742 veröffentlicht worden. Colum schien zwar Wert auf Luxus zu
legen, aber er kein Antiquitätensammler zu sein. Die Bucheinbände waren
neu, und die Seiten hatten weder Risse noch Stockflecken.

Ich vergaß meine Skrupel, durchwühlte schamlos den
Schreibtisch aus Ölbaumholz und spitzte die Ohren, um ihn zurückkommen zu
hören. Ich fand das, wonach ich wohl gesucht hatte, in der mittleren
Schublade. Einen halbvollendeten Brief, mit flüssiger Schrift geschrieben, die
durch exzentrische Orthographie und das beinahe völlige Fehlen von Satzzeichen
nicht unbedingt leserlicher wurde. Das Papier war frisch und rein, die Tinte
tiefschwarz. Das Datum am oberen Rand der Seite sprang mich an wie eine
Flammenschrift:
20ster April 1743

Als Colum ein paar Minuten später zurückkehrte, saß ich im
Sessel und hatte die Hände züchtigt in den Schoß gelegt. Ich saß, weil mich
meine Beine nicht mehr trugen, und ich presste die Hände in meinen Schoß, um
das Zittern zu verbergen.

Nachdem er sich kurz für seine Abwesenheit entschuldigt
hatte, betrachtete er mich sinnend und fragte: "Aber weshalb, Mistress
Beauchamp, haben die Männer meines Bruders sie im Hemd angetroffen? Auch wenn
man sich doch so einiges über Hauptmann Randall erzählt, würde es mich doch
schwer wundern, wenn er verirrte Damen schändet."
"Ach ja?" entgegnete ich barsch. "Was immer sie gehört
haben, der Hauptmann ist dazu im Stande."
Bei meiner Geschichte hatte ich meine Kleidung vergessen,
und ich fragte mich, an welchem Punkt unseres Zusammentreffens Murtagh den
Hauptmann und mich entdeckt hatte.
"Gut", sagte Colum. "Möglich wäre es. Der Mann hat gewiss
einen schlechten Ruf."

"Möglich?" fragte ich. "Warum nur möglich? Glauben sie mir
etwa nicht?"
In Colums Miene spiegelte sich eine leise, unverhohlene
Skepsis.
"Wenn sie nicht glauben, dass ich bin, wer ich zu sein
behaupte, für wen halten sie mich dann, verdammt?"
Colum verzog das Gesicht, bestürzt über meine Sprache, doch
dann festigten sich seine scharfgeschnittenen Gesichtszüge wieder.

"Das bleibt abzuwarten", sagte er. "Unterdessen, Mistress,
sind sie auf Leoch ein gern gesehner Gast."
Colum sprach die Worte nicht aus, aber er hätte es durchaus
tun können. Jedenfalls hingen sie, als ich ging, klar und deutlich in der
Luft:
Bis ich herausgefunden habe, wer sie wirklich sind.
~ ~ ~
Zuletzt bearbeitet: