Die Geschichten über individuelle Kaffeepremieren klingen in unserer Runde ähnlich unangenehm. Warum fanden wir diese Getränke einst ungeniessbar? Wir rätseln.
Ein Baby will nur Süsses
Ernährungspsychologin Brigitte Jenni weiss eine einleuchtende Antwort: «Die Geschmacksnerven auf der Zunge sind bei einem Kind noch nicht fähig, bittere Lebensmittel als lecker wahrzunehmen.» Ein Säugling mag alleine Süsses. Die Muttermilch ist dank einem höheren Laktoseanteil deutlich süsser als Kuhmilch. Mit etwa vier Monaten schmeckt einem Kleinkind auch leicht salziges, später kommt sauer als Geschmacksrichtung dazu. Erst in der Pubertät entwickeln Heranwachsende einen Geschmack für Bitteres. «Deshalb kommen bittere Gemüse wie Chicorée, Kohl oder Spinat bei Kindern nicht gut an», erklärt Brigitte Jenni.
Die Vorliebe für Süsses ist nicht zufällig: «Vor allem Kohlenhydrate schmecken süss. Diese braucht das Baby, um zu wachsen», sagt Brigitte Jenni. Auch die Abneigung gegen Bitteres sei eine nützliche Reaktion des Körpers: «Einem Kind fehlen Enzyme und Katalysatoren, um Stoffe wie Alkohol oder Koffein zu verarbeiten.»
Dass der Nachwuchs trotzdem gerne einen Schluck Bier oder Kaffee aus dem Glas oder der Tasse der Eltern nascht, hat hingegen wenig mit dem Geschmack zu tun: «Als Kind will man das Verhalten der Eltern nachmachen», erklärt Brigitte Jenni.
Mit 15 Jahren können Heranwachsende schon besser beurteilen, ob sie etwas vertragen. «An den bitteren Geschmack», so Jenni, «muss man sich aber erst gewöhnen.» Pubertierende wenden sich von den Eltern ab und orientieren sich an Freunden oder anderen Vorbildern. Beispielsweise beginnen sie zu trinken, um zur Clique zu gehören. Beim Kaffee hingegen beginnt der regelmässige Konsum häufig in der Schule oder bei der Lehrstelle: «Vor einer Prüfung oder einer anderen Situation, die Konzentration verlangt, putscht man sich am Automaten auf», sagt Jenni. «Einige zeigen anderen so, dass dies den gewünschten Effekt haben kann.»
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