so, es geht weiter!
Gemütlich schlenderte ich über den schön angelegten Weg und ließ meine Gedanken schweifen. „Oh Gott“, seufzte ich nach einer Weile und kickte einen kleinen, sehr ebenmäßig geformten Stein vom Wegrand in die grüne Böschung. Der „Himmlische Park“ war so ein schöner Ort. Vor allem im Frühling, vor allem morgens wenn die aufgehende Sonne die in Tautropfen getränkte Welt glitzern ließ wie Diamanten, sie durch ihre rötlichen Schein sogar noch in eine Welt aus Smaragden verwandelte. Wenn alles was hässlich und grau war plötzlich in der Anmut der erwachenden Schönheit, in der Hoffnung des neuen Lebens strahlte.
Ach, in diesem Moment wünschte ich mir nicht sehnlicher als eine der Blumen zu sein, von denen es im Park nur so wimmelte. Ich wollte jedes Jahr neu anfangen, neu entstehen und vergessen was im vorherigen Jahr geschehen war. Ich wollte vergessen, nur vergessen! Aber es war mir nicht möglich! Ich konnte nicht vergessen was mir klar geworden war. Ich konnte nicht. Zwar bemühte ich mich, es so gut ich konnte zu verdrängen aber immer wieder verbannte es meine anderen Gedanken, schob sich in den Vordergrund. Es wurde nur immer schlimmer. Und ich hatte Angst, Angst, so furchtbare Angst. Und die Schönheit… die Schönheit konnte mich nicht mehr überzeugen; ich hatte gelernt ihr zu mistrauen, denn das hatten mich meine Träume gelehrt.
Ich fürchtete mich vor der Nacht, wenn sie mit ihren dunklen Klauen über mich kam und mir diese furchtbaren Träume brachte, genauso wie vor dem Tag, der mich durch seine Schönheit verzücken wollte, mich täuschen wollte? Diese vergangene Woche, diese Woche seit dem ich nach einem fürchterlichen Traum aus dem Schlaf erwacht war, diese Woche war die längste meines Lebens. Noch nie hatte ich so seltsame Gedanken gehabt, noch nie hatte ich mich so leer gefühlt. Ich war innerlich tot. Es schien mir, als würde alles um mich herum nur existieren um mich zu zerstören. War dies nicht auch die Wahrheit?
Ich blieb stehen und ballte die Faust. Mein Gesicht verzerrte sich, als ich versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Ein Mann weint nicht! Ich brauchte Licht in meiner Welt! Ich wollte fort von der andauernden Finsternis! „Wenn sie doch nur hier wäre…“, murmelte ich „wenn ich sie doch nur einmal sehen würde!“
„Wuff, Wuff!“ „Ruffy! Ruffy komm jetzt her! Ich muss doch zur Arbeit!“ „Wuff, Wuff!“ „Ruffy! Komm jetzt! Ich hab dich so lieb, weißt du das? Komm, wir gehen!“ Ein glockenhelles Lachen schallte durch den Park, ein Lachen, welches die ganze Welt in gleißendes Licht tauchte und ein Bild von ihr in mir heraufbeschwor. „Das muss eine Halluzination sein!“, sagte ich mir und öffnete vorsichtig meine Augen, machte sie zu, machte sie auf, kniff mich in den Arm. Nein, das hier war kein Traum. Ich sah ihren Hund und ich sah sie. Ich existierte. Sie existierte. Alles war wie immer, und doch war alles anders.
Sie war so schön, so schön wie immer, obwohl sie einen alten Jogginganzug trug und ihre Haare offensichtlich noch nicht gekämmt hatte. Und jetzt wusste ich es, ich wusste, was ich schon immer geahnt hatte. Nicht ihre äußere Schönheit war es, die mich faszinierte, nein, es waren viele kleine Details, die sich zu einem wundersamen Ganzen zusammenfügten. Die Anmut mit der sie sich bewegte, ihre Art zu lachen, ihre Augen, die einen anstrahlten und auf eine merkwürdige Art und Weise Geschichten zu erzählen scheinen, denen man immer lauschen wollte. Jedes Mal wenn ich sie sah, wenn ich sie ansah, fürchtete ich, mein Herz würde für immer aufhören zu schlagen.
Es war lächerlich, einfach lachhaft, aber ich liebte sie wirklich von ganzem Herzen ohne auch nur ein Wort mit ihr gewechselt zu haben. Aber auch diese Liebe machte mir Angst. Ich war nicht fähig sie anzusprechen; neben ihrer strahlenden Reinheit kam ich mir so unendlich schmutzig vor. Ich fühlte mich wertlos, obwohl ich mein ganzes Leben nur für andere gelebt hatte und es jeden Tag aufs Neue riskiert hatte, nur für andere.
Ich war so tief in mich versunken, dass ich zutiefst erschüttert war, als ich sie nochmals ansehen wollte und sie bereits verschwunden war. Genau wie damals, in meinem Traum, als das wundervolle gleißende Licht aus allen Enden vertrieben worden war. Sie war fort, zusammen mit ihrem wundervollen Lächeln. Betrübt vergrub ich meine Hände in meinen Manteltaschen und machte mich auf den Heimweg. Ich musste über eine Menge Dinge nachdenken.