Hylalien und die Geschichte vom unschuldigen Lamm
Ziemlich verwundert nahm man in Savoyen die Verlautbarung Hylaliens wahr, hatte man doch zumindest gehofft,
wenn auch nicht unbedingt erwartet, dass die Regierung des amerikanischen Staates die Gründe für Savoyens
Unabhängigkeitserklärung wahrheitsgemäss wiedergeben würde. Was stattdessen kam, war der hylalische
Versuch die eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten, die letztendlich wirklich zu Savoyens Bruch mit dem
Vereinigten Königreich führten, zu kaschieren und ein für Hylalien positiv ausfallendes Bild zu schaffen.
„Unverständlich“, so der Kommentar der gerade erst eingesetzten Übergangsregierung, die sich schon wenige
Tage nach dem eigenen Entstehen mit einer ersten Bewährungsprobe konfrontiert sieht. Rasch war für Präsident
Rosso klar, dass hier eine deutliche Klarstellung vonnöten war.
Für Savoyens Abspaltung waren nicht etwa, wie von der hylalischen Regierung behauptet, Differenzen bei der
Ausformulierung einer neuen Verfassung verantwortlich, sondern die politische Linie die das frühere Vereinigte
Königreich fuhr, und die daraus folgende Isolierung Savoyens Europa gegenüber. Dies und weitere sich daraus
ergebende Probleme liess die Unzufriedenheit der savoyischen Bevölkerung ansteigen, statt aber darauf
einzugehen lauteten die offiziellen Aussagen stets, dass Savoyen den König schätzen und die Regierung loben
würde. Für wirkliche Furore sorgte dann allerdings die Unabhängigkeitserklärung Mexicalis, oder besser gesagt,
die darauf folgende Reaktion des Staates Hylalien. Mexicali wurde nicht nur die Unabhängigkeit verweigert, die
den sehnlichsten Wunsch des Volkes darstellte, nein, man versuchte auch alles um das Königreich weiter unter
Kontrolle zu halten. Sogar vor einer Entführung machte das hylalische Regime keinen Halt.
Was in Savoyen auf diese Geschehnisse folgte, war ein wahres Feuerwerk an Protesten und Unruhen. Wie konnte
man noch einem König vertrauen, seiner Regierung die Staatsgeschäfte überlassen, der das eigene Volk so sehr
missachtete? In Savoyen lautete die generelle Meinung dazu „Gar nicht“. Es dauerte nicht lange bis sich eine
grosse Zahl an politischen Gegnern des Königreichs fanden, die gemeinsam die Unabhängigkeit forderten. Doch
erfuhr die Staatengemeinschaft jemals davon? Präsident Rosso erklärte dazu auf einer kurzfristig anberaumten
Pressekonferenz folgendes: „Noch heute agiert Hylalien so, als sei nichts geschehen. Als wären die Probleme, die
seit geraumer Zeit Hylalien und Savoyen politisch aber vor allem gesellschaftlich voneinander trennen, nichts als
marginale Differenzen und Savoyens unabhängiger Status eine vorübergehende Phase. Entsprechend entlarvend
ist da auch der Versuch Hylaliens mit einem „schriftlichen Erstschlag“ das eigene Ansehen zu retten, und zwar
ausgerechnet zu einer Zeit, in der es Savoyen nicht möglich war, zu reagieren.“
Dass Hylalien den daraus erfolgten Vorteil nutzte um seine Sicht der Dinge darzustellen überraschte dann doch.
Allerdings, und das stellte auch der Präsident fest als er genauer auf Hylaliens Verlautbarung einging, gilt auch
hier der Grundsatz “Nur weil etwas zuerst gesagt wurde ist es noch lange nicht automatisch wahr“. Rosso führte
weiter aus, dass sich Savoyen die Unabhängigkeit nicht mehr nehmen lassen werde, insbesondere da diese den
Rufen der Bevölkerung entsprach, die selbst die grösste Arbeit zur Errichtung eines neuen, demokratischen
Staates geleistet hatte. Nur dank der Leidenschaft und der gemeinsamen Arbeit aller Savoyer gelang es, das Land
zu ordnen, zu stabilisieren und durch eine neue Regierung wieder Handlungsfähig zu machen.
„Nichts liegt der savoyischen Bevölkerung ferner als an einen Konflikt zu denken, konnte doch einer gewaltsamen
Absetzung der Regierung nur knapp entgangen werden“, beruhigte der Präsident einige besorgte Reporter.
„Tatsächlich ruht unser aller Hoffnung auf einem friedlichen Auseinandergehen. Dies erfordert allerdings auch die
Bereitschaft Hylaliens, den Tatsachen entgegen zu treten und sich an die Fakten zu halten. Es ist in gewissem
Maße zwar verständlich, dass die Regierung um König Adelbert-Wilhelm III. ein möglichst gutes Ansehen zu
wahren versucht, dieser Versuch der Beschönigung jedoch lässt Hylalien erst recht in einem schlechten Licht
dastehen.“
Der Silberstreif am Horizont
Abseits der Erkenntnis, dass die hylalische Regierung sich kein Stück verändert hat, lassen sich auch einige
positive Nachrichten aus Savoyen vermelden. Während Savoyen nach aussen hin still und fast schon tot erschien,
geschah im Land selbst einiges. Zuletzt wurden die meist friedlichen Proteste nicht nur nachdrücklicher sondern
entwickelten auch eine Eigendynamik, die schlussendlich nur durch die an den gerudonischen König gerichtete
Unabhängigkeitserklärung, verfasst von der savoyischen Delegation und den ehemaligen Oppositionsführern Toni
Dalarna und Luca Rosso, beendet werden konnte. Diese Unabhängigkeitserklärung erreichte König Adelbert-
Wilhelm III. bereits Ende letzten Jahres und wurde von Vertretern des Volkes auf dem Piazza Raffaele de Ferrari
verlesen und von dort ins ganze Land übertragen.
Dies läutete allerdings auch eine schwierige Phase für Savoyen ein. Nun hatte man zwar die Unabhängigkeit
gewonnen, allerdings sah sich die Bevölkerung dadurch auch vor die Frage gestellt: Wenn nicht das vereinigte
Königreich Gerudonien, was dann? Schnell war klar, dass Savoyens Zukunft nicht erneut in den Händen des Adels
liegen durfte, doch für die Entscheidung den Provinzen einen Teil ihrer Eigenständigkeit zurückzugeben bedurfte
es einer längeren Phase. Da diese Entscheidung eine war, die vom savoyischen Volk selbst gefällt werden musste,
wurde eine Abstimmung einberufen. In dieser sollte nicht nur die zukünftige Staatsform zur Debatte stehen
sondern auch die Wahl eines Präsidenten, welcher gemeinsam mit der von Hylalien erwähnten savoyischen
Delegation (Ja, die gab es tatsächlich) bis zu einer geordneten Parlaments- und Präsidentenwahl im nächsten
Sommer regieren würde. Diese Wahl fiel sowohl für eine föderative Staatsform als auch für Luca Rosso als
Präsidenten aus.
Zu dieser Zeit hatte sich die Lage im Land wieder etwas beruhigt, auch unter dem Hoffnungsschimmer einer
fortan eigenständig-demokratischen Zukunft Savoyens. Die von einem venezianischen Bürger entworfene rot-
gold-blaue neue Flagge über die ebenfalls abgestimmt wurde hing zu dieser Zeit aus allen Fenstern, der Jubel
war gross, und doch zog die Unabhängigkeit auch einige bis dato noch nicht bekannte Probleme mit sich. So war
zum Beispiel nicht klar, wie mit der zukünftigen Währung des Landes verfahren werden sollte, da die Adamanten
eine für Europa fremde und vom Volk nicht unbedingt geschätzte Währung darstellten. Auch ein Teil der
Infrastruktur konnte nicht übernommen werden und die Wirtschaft stand still. Es oblag der neuen Regierung, sich
zuerst um wichtige innenpolitische Angelegenheiten zu kümmern, die erst vor wenigen Tagen eine Lösung
fanden.
Am 8. Januar jedoch erfolgte der offizielle Amtsantritt Präsident Rossos und somit auch die Rückkehr Savoyens
auf das politische Parkett der Staatengemeinschaft. Bis dahin hatte sich die Lage des Landes weiter stabilisiert
und insbesondere durch die Tatkraft aller Savoyer konnte der Staat in den Alltag und in den Normalzustand
zurückkehren. Dieser Normalzustand war allerdings auch etwas Einzigartiges, Neues, da Savoyen nun zum ersten
Mal in der Geschichte von niemandem anderes als dem eigenen Volk regiert wurde.
Lose Fäden zusammenführen
Ein Zeichen dafür dass Savoyen den Anschluss an die Weltgemeinschaft nicht ganz verloren hatte, stellten die
Verlautbarungen aus Virenien dar. Obschon die politischen Beziehungen zwischen Savoyen und dem
westeuropäischen Staat bis zuletzt eher unterkühlt waren, reagierte die Übergangsregierung in Genua sehr positiv
auf die angekündigte Europareise des virenischen Staatspräsidenten. Auch zu dieser Neuigkeit bezog Präsident
Rosso auf der Hylalien-Pressekonferenz Stellung. „Dies ist möglicherweise der Auftakt zu einem europäischen
Neuanfang, den sich hier viele wünschen. Daher läge mir nichts ferner als ein Gespräch mit Präsident Miráio
abzulehnen. Nun da wir von Amerika losgelöst sind, steht es in unserer Macht zu entscheiden, inwieweit Savoyen
den Anschluss an Europa findet. Eine weitere Isolation wäre verheerend, insbesondere da dies bedeuten würde,
einen Fehler des Vereinigten Königreiches zu wiederholen. Damit wäre der Zweck unserer Unabhängigkeit
verfehlt.“
Kurznachrichten
» Auf Flaggenverbrennungen in Mexicali folgt die Sammlung und Verbrennung alter savoyischer Banner.
» Der in Savoyen stationierte Teil der Königswehr sichert Präsident Rosso ihre Unterstützung zu.
» Neue Währung gefragt, Debatten über Einführung von Ypern oder Zinu begonnen.
» Endlich frei. Das Motto „Viva Savoia! Viva l'indipendenza!“ hallt durch die Strassen savoyischer Städte.
» Geschwächte Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf.
Verlautbarungen im Auftrag der savoyischen Übergangsregierung
und dem savoiyschen Präsidenten
Luca Rosso