Kapitel 12 - Der Garnisonskommandant
Wir näherten uns Fort William, und ich begann ernstlich
darüber nachzudenken, wie ich mich verhalten sollte, wenn wir dort angelangt
waren. Ich kam zu dem Schluss, dass es letztendlich vom Garnisonskommandanten
abhing. Wenn er glaubte, dass ich eine Dame in Nöten war, würde er mir
vielleicht bis zur Küste und meiner vermeintlichen Einschiffung Geleitschutz
geben. Vielleicht würde er mir aber auch - wie die MacKenzies - mit Misstrauen
begegnen.
Als wir noch zwei Tagesreisen von Fort William entfernt
waren, machten wir in einem Gasthof Halt. Ich schlief unruhig, weil ich zum
ersten Mal seit Wochen völlig allein schlief. Darüber hinaus wurde ich immer
nervöser, weil ich bald dem Garnisonskommandanten gegenüber treten würde.
Ich schwebte unbehaglich am Rande des Schlummers, als ich
draußen auf dem Flur ein ominöses Knarren und verstohlene Schritte hörte. Ich
setzte mich auf und tastete nach der Kerze an meinem Bett. Blindlings tastend
stieß ich das Zunderpäckchen zu Boden, und der Mensch draußen erstarrte.
Ich packte den Kerzenhalter, und schlich, den schweren
Steingutleuchter an die Brust pressend, zur Tür. Mit pochendem Herzen lauschte
ich an der Tür. Kommen die Geräusche von unten? Oder atmete da jemand hinter
der Tür? Schließlich hatte ich genug von diesem Unfug, packte den Kerzenhalter
fester und stürzte auf den Flur.
ich stürzte im wahrsten Sinne des Wortes - nach zwei
Schritten stolperte ich über etwas und fiel der Länge nach zu Boden und schlug
mir den Kopf an etwas ziemlich Hartem.
benommen setzte ich mich auf und hörte den Mann, über den
ich gefallen war, leise fluchen. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich
an die Dunkelheit zu gewöhnen, doch als ich den Störenfried klar sehen konnte,
fragte ich anklagend: "Was machst du denn hier?" Gleichzeitig erkundigte sich
Jamie, ähnlich anklagend: "Wie viel wiegst du, Sassenach?" "Hundertzwanzig
Pfund," antwortete ich benebelt, noch bevor ich daran dachte, "warum?" zu
fragen.
"Du hast mir fast die Leber zerquetscht, Sassenach."
"Geschieht dir recht", sagte ich. "Was schleichst du auch vor meiner Tür
herum?" "Von schleichen kann gar keine Rede sein. ich habe geschlafen, oder es
zumindest versucht", antwortete Jamie mürrisch. "Du suchst dir auch die
komischsten orte zum Schlafen aus. Erst ein Stall und jetzt das..."
"Vielleicht interessiert es dich, dass sich unten eine Gruppe englischer
Dragoner aufhält", unterbrach er mich kühl. "Sie vergnügen sich ein wenig grob
mit den Frauen aus dem Ort, und ich dachte mir, du könntest gut auf solche
Aufmerksamkeiten verzichten."
"Oh", sagte ich verlegen. "Nun, das war sehr nett von dir
Jamie." "Leg dich wieder ins Bett", schlug Jamie vor. "Ich bleibe hier
und
passe auf." Ich betrachtete den fleckigen Dielenboden. "Draußen kannst du
nicht schlafen", sagte ich. "Komm herein, hier sieht der Boden nicht ganz so
schlimm aus."
Jamie erstarrte. "Ich soll in deiner Kammer schlafen?" Er
klang wirklich schockiert. "Das kann ich nicht tun! Dein guter Ruf wäre
dahin!" Ich begann zu lachen, tarnte es jedoch schnell als einen Hustenanfall.
Aufgrund der Strapazen, der überfüllten Gasthöfen und mangelnden sanitären
Einrichtungen, war ich derart vertraut mit diesen Männern, dass ich diese
Prüderie nur noch komisch fand. Als ich mich erholt hatte, fragte ich: "Du
hast schon mit mir im selben Raum geschlafen. Du und zwanzig weitere Männer.
Jamie geriet ins Stottern. "Das... das war doch etwas anderes!" Da Jamie sich
nicht überreden ließ, brachte ich ihm wenigstens meine Decke nach draußen.
"Es ist nicht nur selbstlose Freundlichkeit", bemerkte Jamie
schließlich. "Auch ich möchte keine Aufmerksamkeit auf mich lenken." Ich
erinnerte mich, dass Jamie ebenfalls guten Grund hatte, den englischen
Soldaten aus dem Weg zu gehen. "Aber was ist, wenn dich hier oben jemand
findet?" "Sie werden mein Gesicht nicht sehen." "Sicher", sagte ich. "Aber
werden sie sich nicht fragen, was du hier oben auf dem Flur zu schaffen hast?"
Jamie lächelte. "Nein, Sassenach. Sie werden denken, dass ich warte, bis ich
an der Reihe bin."
Ich ging lächelnd in meine Kammer und wunderte mich über
diesen Menschen, der so zotige Scherze machte, während er gleichzeitig vor dem
bloßen Gedanken zurückschreckte, mit mir in einer Kammer zu schlafen.
~ ~ ~
Am Morgen war Jamie fort. Ich ging zum Frühstück nach unten
und traf dort auf Dougal, der mich schon erwartete. "Essen sie schnell,
Mädchen", sagte er. "Wir reiten nach Brockton, Sie und ich." Mehr wollte er
nicht sagen, aber er wirkte ein wenig nervös.
Wenig später trabten wir durch den dunstigen Morgen. "Wohin
reiten wir?" fragte ich. "Sie können es mir ruhig sagen, denn wenn ich es
nicht weiß, werde ich überrascht sein, und wenn ich es doch weiß, bin ich
immer noch intelligent genug, um überrascht zu tun." Dougal blicke mich über
seine Schulter hinweg an. "Zum Kommandanten von Fort William.", sagte er. Ich
war schockiert. Darauf war ich nicht vorbereitet. Dougal berichtete, dass der
Kommandant mit einem Dragonertrupp durchs Land zog und sein Quartier gerade im
nahe gelegenen Brockton aufgeschlagen hatte.
Als wir unser Ziel erreicht hatten, überlegte ich immer noch
fieberhaft, was ich nun tun sollte. Wenn Dougal mich hier dem Kommandanten
übergab, war ich glatte vier Tagesreisen vom Craig na Dun entfernt. Eine
Strecke, die ich niemals alleine bewältigen könnte. Und es war sehr fraglich,
ob der Kommandant mich einfach so ziehen lassen würde.
Ich blickte auf einen Teller ziemlich altbackener
Haferkuchen, während Dougal die Treppe zum Allerheiligsten des Kommandanten
hinaufstieg. Es war seltsam, ihn verschwinden zu sehen. Im Schankraum saßen
drei englische Soldaten, die mich argwöhnisch beäugten und leise miteinander
schwatzten.
Nachdem ich einen Monat in Gesellschaft der MacKenzies
verbracht hatte, machte mich die Anwesenheit der englischen Dragoner auf
unerklärliche Weise nervös. Ich sagte mir, dass das albern sei. Schließlich
waren es meine Landsleute, egal ob sie nun meiner Zeit angehörten oder nicht.
Außerdem fehlte mir Jamie. Ich bedauerte gerade, dass ich keine Zeit hatte,
mich zu verabschieden, als ich Dougal von oben rufen hörte.
Nervös stieg ich die Treppe hinauf. Dougal wirkte grimmiger
denn je, dachte ich, als er wortlos beiseite trat und mich mit knapper Gebärde
in ein Zimmer wies.
Der Garnisonskommandant stand am Fenster; seine schlanke
Gestalt zeichnete sich dunkel vor dem Licht ab. Er lachte, als er mich sah.
"Ja, das habe ich mir bereits gedacht. MacKenzies Beschreibung zufolge mussten
sie es sein." Die Tür schloss sich und ich war allein mit Jonathan Randall,
Hauptmann des achten Dragoner Regiments Seiner Majestät.
Er trug ein spitzenbesetztes Hemd und sorgfältig
zurückgebundene Haare. Doch das Gesicht war das selbe - Franks Gesicht. Mir
stockte der Atem, und diesmal bemerkte ich den Zug von Rücksichtslosigkeit in
seinem Gesicht. Trotzdem bat er mich recht höflich Platz zu nehmen.
"Nun denn", begann er leutselig. "Warum sagen sie mir nicht,
wer sie sind, und wie sie hierher gekommen sind?" Da ich kaum eine andere Wahl
hatte, erzählte ich ihm dieselbe Geschichte wie Colum. Randall blieb während
meines Vortrags höflich, aber skeptisch. "Oxfordshire, sagen sie? In
Oxfordshire gibt es keine Beauchamps." "Woher wollen sie das wissen? Sie sind
doch aus Sussex." Randall riss überrascht die Augen auf. "Und woher wollen sie
das wissen, Madame?" Ich hätte am liebsten meine Zunge verschluckt. "Äh - Ihre
Stimme. Ja, ihr Akzent. Eindeutig aus Sussex."
Randall sprang wütend auf. "Ich will verwünscht sein, wenn
ich glaube, dass sie Französin sind. Wer zum Teufel sind sie?" "Hören sie,
Hauptmann, ich stelle keine Forderungen an sie oder die MacKenzies, ich möchte
nur - ", begann ich, doch Randall unterbrach mich wütend. "Sie erweisen ihrer
Sache keinen guten Dienst, Madame! Meine Leute haben den Wald gründlich
durchsucht, und es fand sich keine Spur von ihrem Gepäck, ihrem ermordeten
Diener oder ihrem abgelegten Gewand. Kurz es gab kein Zeichen dafür, dass an
ihrer Geschichte auch nur ein Körnchen Wahrheit ist!"
"Ich habe die Absicht, die Wahrheit herauszufinden, Madame.
Und hegen sie bloß keine Zweifel daran. Als Garnisonskommandant bin ich
berechtigt, Maßnahmen zur Sicherung dieses Gebietes zu treffen und gegen
Verräter, Spione und andere Personen, deren Betragen mir verdächtig erscheint,
vorzugehen. Und ich bin durchaus gewillt, es zu tun." "Welche Maßnahmen denn?"
erkundigte ich mich. Ich wollte es wirklich wissen; der Ton meiner Frage muss
allerdings ziemlich provokant gewesen sein.
Der Hauptmann holte aus und versetzte mir einen Schlag in
die Magengegend. Mir bleib die Luft weg und ich riss erschrocken die Augen
auf.Noch nie in meinem ganzen Leben hatte jemand die Hand gegen mich
erhoben.
Ich krümmte mich unter dem Schlag. "Ich hoffe, dass sie
nicht guter Hoffnung sind, Madame. Denn wenn sie es sind, wird das nicht mehr
lange so sein." Schwärze schien sich im Raum auszubreiten und ich schloss die
Augen.
"Sehen sie mich an." Die Stimme klang so leicht und
gelassen, als böte er mir eine Tasse Tee an. "Vielleicht haben sie mir jetzt
etwas zu sagen, Madame?" fragte er herrisch. "Ihr Zopf sitzt schief",
antwortete ich und schloss die Augen.