Kuona
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@Nachtstern: Hey, danke für die 4. Seite
. Das geht diesmal ja echt rasend schnell und ich bin ganz gerührt darüber (habe ich schon erwähnt, dass ich gerade in einer sehr emotionalen Phase bin?).
*g* Mal sehen, ob Robin noch so hinter Verenas Geheimnisse kommen wird. Aber ich konnte das Lukas nicht verraten lassen. Das wäre ja gleichzeitig ein Verrat an Anna gewesen und nee, er liebt sie sehr.
Auf dem Foto war Robin selbst zu sehen (sieht man auch im neuen Kapitel noch). Und tja... wie war Nicholas. Schwer zu beschreiben. Ein Frauenheld vielleicht nicht unbedingt. Naja, wird man noch alles erfahren *g*.
Das mit David kann wirklich nicht lange gut gehen. Sicherlich, er ist ein wenig verschossen in sie, aber Verena verschließt ihre Augen vor der Realität, wenn sie glaubt, dass es so ewig weitergehen kann. Wie es mit Robin und Verena weitergeht, erfährst du ja jetzt. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich mit diesem Kapitel schwer getan habe. Ich hoffe mal, dass ich mit den nächsten wieder besser ausdrücken kann, was ich denke. Irgendwie war es dieses Mal so diffus. Aber vielleicht seht ihr das ja anders als ich *g*. Für deine Komplimente danke ich dir ganz herzlich
. Es macht mich echt glücklich, so etwas zu lesen und ich finde es auch schön, dass das wölfisch gut rübergekommen ist 
Am nächsten Morgen fühlte Verena sich wie gerädert. Sie hatte die halbe Nacht wach gelegen, was zum einen daran lag, dass ihr die verdammte Melodie nicht aus dem Kopf ging und zum anderen an Robins absurder Ankündigung. Ihr Freund wollte er werden! Er dachte doch nur an sich selbst. Warum sollte er sich ausgerechnet für sie interessieren? Nein, da musste etwas hinter stecken, sie wusste nur noch nicht, was es war. Seufzend richtete sie sie auf und ging in ihr Wohnzimmer. Ihr Blick fiel auf das Bild von Robin. Sie hatte es nicht über sich gebracht, eines der Bilder von Anna dafür wegzuhängen, aber auch nicht, sein Bild einfach vor der Tür stehen zu lassen. Sie wollte ihn nicht verletzen. Warum das so war, wusste sie auch nicht so genau. Bisher war sie schließlich nicht besonders nett zu ihm gewesen und hatte sich auch nicht darum gekümmert, ob ihr Verhalten ihn verletzen könnte. Und dann die Blumen… Nein, auch wenn er sich diese Mühe sicherlich nicht ohne Hintergedanken machte, irgendwie freute es sie doch.
Sie mochte das Gefühl, dass jemand um sie besorgt war, selbst wenn es nicht echt war.
Selbst, wenn sie es nicht verdient hatte. Heute war es genau 368 Tage her, dass Anna tot war. Das waren 8832 Stunden. Und jede einzelne Sekunde fehlte sie ihr. Wenn Anna jetzt hier wäre, würde sie wissen, was zu tun war. Auf ihr Urteil hatte man sich immer verlassen können. Aber dann hatte Anna sie verlassen. Hatte Robin vielleicht Recht? Hätte sie nicht gewollt, dass Verena sich zurückzog? Aber es war müßig darüber nachzudenken. Durch ihre Schuld würde niemand mehr so wirklich wissen, was Anna gewollt hätte. Schnell ging sie ins Bad und wusch sich die Hände. Lange ließ sie das kalte Wasser darüber laufen und rieb immer wieder fest über die Knöchel, die Gelenke, den Handrücken. Doch es war, als würde sie das Blut, das an ihnen klebte, einfach nicht loswerden. Unbewusst summte sie vor sich hin und fluchte, als sie bemerkte, was sie da tat. Schon wieder diese verdammte Melodie! Dabei war sie gerade überhaupt nicht fröhlich. Oder doch? Eigentlich wusste Verena nicht genau, was sie gerade fühlte. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass sie theoretisch gerade glücklich sein könnte, aber es einfach nicht mitbekam. Sie fühlte sich irgendwie losgelöst von ihrem Körper.
Als das Telefon plötzlich klingelte, war sie beinahe erleichtert darüber.
"Brem?", meldete sie sich und seufzte frustriert auf, als am anderen Ende der Leitung eine wohlbekannte Stimme erklang.
"Hey Verena, hier ist Robin. Na, was machst du gerade schönes?"
"Woher hast du meine Nummer?"
"Das tut nichts zur Sache. Hört sich das nicht mysteriös an? Fast wie ein Mafiosi."
"Finde ich nicht. Was willst du?"
"Hab ich doch gesagt, ich will dein Freund sein. Und Freunde telefonieren miteinander. Mach mal die Tür auf!"
"Warum?"
"Na komm schon, mach es einfach!"
Verena stöhnte genervt und ging mit dem Telefonhörer in der Hand zur Tür. Sie öffnete, und vor ihr stand Robin mit seinem typischen Grinsen im Gesicht.
"Das wollte ich schon immer mal machen", gluckste er und legte auf. "In Filmen wirkt das immer total cool."
Er zwängte sich an ihr vorbei und sie fragte sich, warum sie ihn eigentlich immer wieder in ihre Wohnung ließ. Es war schließlich ihr Leben und ihr privater Raum. Aber die Nacht hatte sie zermürbt.
"Hey, du hast ja mein Bild aufgestellt. Siehst du, es gibt auch noch andere schöne Menschen außer Anna. Hast du schon etwas gegessen?", riss er sie aus ihren Gedanken. Er stand in der Mitte des Raums und sah schon wieder so unverschämt fröhlich aus. Er hatte wirklich alle Lebensfreude, die ihr in den letzten Monaten abhanden gekommen war.
"Nein", sagte sie mürrisch, um ihn zu vertreiben. Er machte sie nervös. Wenn er in ihrer Nähe war, dann fühlte sie sich irgendwie besser. Aber dafür war sie nicht bereit. Wieder glücklich zu sein würde bedeuten, einen Teil von Anna gehen zu lassen und das konnte sie nicht. Aber er ließ sich nicht vertreiben. Er blieb einfach da und heute war schon ihr drittes Treffen.
"Hast du denn mal meinen Test gemacht?", fragte er vergnügt. Verena schüttelte den Kopf.
"Ich hab das Essen weggeschmissen", sagte sie brüsk, aber wenn Robin irritiert war, ließ er es sich nicht anmerken.
"Oh, na gut", war alles, was er sagte. Plötzlich überkam sie der Drang, ihm zu sagen, warum sie es getan hatte. Obwohl er schon mehr Selbstbewusstsein besaß, als gut für ihn war, wollte sie ihm gestehen, dass seine Taktik besser gewirkt hatte als sämtliche Gespräche mit ihrer Psychologin. Verena war immer felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie Blut schmeckte. Frau Dr. Freundorfer hatte es ihr nicht ausreden können, immerhin steckte sie nicht in Verenas Haut und konnte somit gar nicht wissen, was sie schmeckte. Aber Robins Aufforderung, den direkten Vergleich zu wagen, hatte sie dazu gebracht zu zweifeln. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie nicht doch einen Unterschied schmecken würde. Und sie hatte Angst bekommen. Deshalb hatte sie die Lebensmittel weggeschmissen. Aber sie unterdrückte den Wunsch, ihm das zu sagen. Sie verstand nicht einmal, warum sie das tun wollte. Vielleicht, weil er keinen falschen Eindruck von ihr bekommen sollte.
Aber seit wann interessierte sie, was er von ihr dachte? Sie brauchte seine Absolution nicht und doch wünschte sie sich in diesem Moment brennend, dass er sie verstehen würde. Verena stockte der Atem. Erschrocken registrierte sie, dass sie durch ihn an ihrer Trauer zweifelte. Sie wollte, dass er nachvollziehen konnte, warum sie so handelte. Sie wollte, dass er ihr sagte, dass sie Schuld war. Sie wollte keine Absolution, sie wollte eine Verurteilung, damit sie selbst wieder vollkommen sicher sein konnte, dass sie Schuld war. Die Erkenntnis war beinahe zu viel für sie. Plötzlich bekam sie kaum noch Luft und ihr wurde schwindelig. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wusste, sie musste ihn wegschicken. Es war die einzige Möglichkeit, ihr bisheriges Leben aufrecht zu erhalten.
"Denk nicht so viel nach", durchbrach seine seltsam sanfte Stimme ihr Gedankenkarussell. Überrascht sah sie auf. Er lächelte gar nicht, sondern sah sie sehr ernst an.
"Du denkst zu viel", sagte er und tippte ihr gegen die Stirn. "Lass es."
Völlig verdattert starrte Verena ihn an. Aber die Berührung half ihr, wieder zu sich selbst zurückzufinden.
"Ach, und das kannst gerade du beurteilen, ja? Wo du doch in deinem Leben bestimmt schon so oft nachgedacht hast", fauchte sie und zog sich hinter ihre innere Schutzmauer zurück. Zu ihrer Überraschung lachte er. "Ja, ich glaube das kann ich", sagte er selbstgefällig. "Du bist ziemlich leicht zu durchschauen, weißt du?"
Verenas Miene wurde wieder wütend und Robin war sehr erleichtert darüber. Als sie eben so verwirrt und verzweifelt ausgesehen hatte, hatte er es mit der Angst zu tun bekommen. Eine wütende Verena kannte er. Damit konnte er umgehen. Aber er wusste nicht, wie er einer verzweifelten Verena helfen sollte. Damit hatte er keine Erfahrungen. Er war nicht gut im trösten, er konnte nur provozieren. Zum Glück hatte das geklappt, aber in der Zukunft hätte er vielleicht nicht so viel Glück. Was wäre, wenn er die wahre Verena enthüllte und damit einen Sturm entfesselte, den er nicht mehr aufhalten konnte? Verwirrt blinzelte Robin. Dann schob er die Gedanken weit von sich weg. Damit würde er sich befassen, wenn es so weit war.
"Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit mir Schlittschuh laufen gehen willst. Du kannst ja nicht immer hier herumhocken", wechselte er das Thema. Er fühlte sich jetzt wieder sicherer. Alles war so, wie es sein sollte. Selbst ihre Antwort war ganz wie erwartet.
"Nein. Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht nach draußen gehe."
Robin grinste. "Wollen wir vielleicht einen Film schauen?", fragte er und als sie den Kopf schüttelte, atmete er erleichtert auf. Ja, alles war wieder normal. Allerdings hatte er jetzt ein wenig sein Pulver verschossen. Er wusste selbst nicht so genau, warum er überhaupt schon wieder bei ihr war. Er wusste nur, dass ihm die Vorstellung einer Verena, die ganz alleine zuhause saß und den ganzen Tag nur über Anna grübelte, nicht behagte. Eigentlich wusste er ja kaum etwas über sie. Was sie gerne machte, was sie mochte und was sie nicht so gerne mochte. Sie sah ihn immer noch missbilligend an und er musste lächeln. Gut, vielleicht wusste er zumindest von einer Person, die sie nicht mochte. Leise summte er vor sich hin. Er wusste, dass seine sorglose Art sie verrückt machte.
Und Provokation war ein gutes Mittel, sie aus der Reserve zu locken. Aber als sie blitzschnell mit ihrer Hand nach seinem Arm griff und ihn festhielt, erschrak er dennoch.
"Meine Güte, du hättest doch einfach nur sagen brauchen, dass du ein bisschen Körperkontakt willst", witzelte er, aber sie sah ihn aus großen Augen an und keuchte: "Dieses Lied, bitte! Wie heißt es und von wem ist es? Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf."
Robin musste grinsen. Ihr war es vielleicht nicht klar, aber sie wirkte irgendwie süß, wie sie da so ungeduldig vor ihm stand. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Hatte er gerade wirklich gedacht, dass Verena süß sei?
"Das Lied heißt 'No no never' und ist von 'Texas Lightning'", sagte er, immer noch verwirrt. Enttäuscht ließ Verena ihre Hand sinken.
"Das kenne ich gar nicht. Ich dachte, ich werde diesen verdammten Ohrwurm los, wenn ich weiß, woher die Melodie stammt."
"Wie du kennst das Lied nicht? Das ist doch ziemlich bekannt", fragte er erstaunt, aber Verena schüttelte stur den Kopf.
"Nein, ich kenne es nicht. Zumindest nicht wissentlich", sagte sie dann und er musterte sie überrascht. So langsam bekam er eine Ahnung, aber dennoch sang er ein paar Zeilen für sie. Furchtbar schief, wie er befürchtete.
"Das kennst du wirklich nicht?", forschte er und sie schüttelte erneut den Kopf.
"Hab ich dir doch schon gesagt", erwiderte sie gereizt.
"Verena, hörst du denn kein Radio?", wollte er wissen und seine Ahnung bestätigte sich. Sie schüttelte den Kopf und presste die Lippen aufeinander.
"Und Fernsehen?" Er deutete auf das Fernsehgerät in der Mitte des Raums.
"Ist kaputt", war die leise Antwort. Robin war ehrlich entsetzt. Er wusste mittlerweile, dass sie sich vor allen Menschen abschottete, aber dass es so große Ausmaße angenommen hatte, hätte er nicht gedacht.
"Aber dann weißt du ja gar nicht, was im letzten Jahr alles passiert ist!", sagte er konsterniert und sie sah ihn empört an.
"Na hör mal, es gibt ja auch noch Zeitungen, oder? Ich weiß sehr wohl, was alles so passiert ist", sagte sie und fügte dann spitz hinzu: "Ich würde meinen, ich bin besser informiert als du."
Robin ignorierte ihre gehässige Bemerkung. Er glaubte zu verstehen, warum sie das tat. Oberstes Ziel ihrer Selbstbestrafung war offensichtlich die völlige Konzentration auf Anna als den Mittelpunkt ihres Lebens, Denkens und Handelns, ohne Zerstreuung durch Radio, Fernsehen oder andere Menschen. So ein Leben war ihm völlig fremd. Er konnte nicht nachvollziehen, warum jemand so etwas tat. Ihr musste doch selbst auffallen, dass es so nicht lange weitergehen konnte. Wie lange wollte sie ihr Leben so überhaupt aufrechterhalten?
Aber er fragte nichts dergleichen und sagte stattdessen: "Du musst hier auch mal raus. Das ist doch keine Art zu leben! Schau dir die Leute draußen an. Sie leben. Und an dir zieht das Leben vorüber. Sieh sie dir an!"
Verena sah tatsächlich einen Augenblick nach draußen. Autos fuhren auf der Straße. Ein Pärchen stritt sich lautstark. Ein paar Kinder spielten Fangen auf dem Bürgersteig. Hastig wandte sie ihren Blick vom Fenster ab, konnte aber nicht verhindern, dass Robin die Tränen in ihren Augen glitzern sah. Sie wischte sie schnell weg und sah beschämt zur Seite.
"Es geht dich nichts an, wie ich lebe. Es ist richtig so, wie es ist", sagte sie, aber ihr fiel selbst auf, wie unsicher sie klang. "Ich will es so", fügte sie hinzu und registrierte zufrieden, dass ihre Stimme diesmal sehr fest und entschlossen klang. Robin musterte sie einen Moment und zuckte dann mit den Schultern.
"Wie du meinst. Aber du wirst es irgendwann bereuen." Mit diesen Worten ging er zur Tür heraus. Sie war wieder allein. Aber seine Worte hallten in ihrem Kopf wider. Reue.

*g* Mal sehen, ob Robin noch so hinter Verenas Geheimnisse kommen wird. Aber ich konnte das Lukas nicht verraten lassen. Das wäre ja gleichzeitig ein Verrat an Anna gewesen und nee, er liebt sie sehr.
Auf dem Foto war Robin selbst zu sehen (sieht man auch im neuen Kapitel noch). Und tja... wie war Nicholas. Schwer zu beschreiben. Ein Frauenheld vielleicht nicht unbedingt. Naja, wird man noch alles erfahren *g*.
Das mit David kann wirklich nicht lange gut gehen. Sicherlich, er ist ein wenig verschossen in sie, aber Verena verschließt ihre Augen vor der Realität, wenn sie glaubt, dass es so ewig weitergehen kann. Wie es mit Robin und Verena weitergeht, erfährst du ja jetzt. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich mit diesem Kapitel schwer getan habe. Ich hoffe mal, dass ich mit den nächsten wieder besser ausdrücken kann, was ich denke. Irgendwie war es dieses Mal so diffus. Aber vielleicht seht ihr das ja anders als ich *g*. Für deine Komplimente danke ich dir ganz herzlich


Kapitel XI

Am nächsten Morgen fühlte Verena sich wie gerädert. Sie hatte die halbe Nacht wach gelegen, was zum einen daran lag, dass ihr die verdammte Melodie nicht aus dem Kopf ging und zum anderen an Robins absurder Ankündigung. Ihr Freund wollte er werden! Er dachte doch nur an sich selbst. Warum sollte er sich ausgerechnet für sie interessieren? Nein, da musste etwas hinter stecken, sie wusste nur noch nicht, was es war. Seufzend richtete sie sie auf und ging in ihr Wohnzimmer. Ihr Blick fiel auf das Bild von Robin. Sie hatte es nicht über sich gebracht, eines der Bilder von Anna dafür wegzuhängen, aber auch nicht, sein Bild einfach vor der Tür stehen zu lassen. Sie wollte ihn nicht verletzen. Warum das so war, wusste sie auch nicht so genau. Bisher war sie schließlich nicht besonders nett zu ihm gewesen und hatte sich auch nicht darum gekümmert, ob ihr Verhalten ihn verletzen könnte. Und dann die Blumen… Nein, auch wenn er sich diese Mühe sicherlich nicht ohne Hintergedanken machte, irgendwie freute es sie doch.
Sie mochte das Gefühl, dass jemand um sie besorgt war, selbst wenn es nicht echt war.

Selbst, wenn sie es nicht verdient hatte. Heute war es genau 368 Tage her, dass Anna tot war. Das waren 8832 Stunden. Und jede einzelne Sekunde fehlte sie ihr. Wenn Anna jetzt hier wäre, würde sie wissen, was zu tun war. Auf ihr Urteil hatte man sich immer verlassen können. Aber dann hatte Anna sie verlassen. Hatte Robin vielleicht Recht? Hätte sie nicht gewollt, dass Verena sich zurückzog? Aber es war müßig darüber nachzudenken. Durch ihre Schuld würde niemand mehr so wirklich wissen, was Anna gewollt hätte. Schnell ging sie ins Bad und wusch sich die Hände. Lange ließ sie das kalte Wasser darüber laufen und rieb immer wieder fest über die Knöchel, die Gelenke, den Handrücken. Doch es war, als würde sie das Blut, das an ihnen klebte, einfach nicht loswerden. Unbewusst summte sie vor sich hin und fluchte, als sie bemerkte, was sie da tat. Schon wieder diese verdammte Melodie! Dabei war sie gerade überhaupt nicht fröhlich. Oder doch? Eigentlich wusste Verena nicht genau, was sie gerade fühlte. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass sie theoretisch gerade glücklich sein könnte, aber es einfach nicht mitbekam. Sie fühlte sich irgendwie losgelöst von ihrem Körper.

Als das Telefon plötzlich klingelte, war sie beinahe erleichtert darüber.
"Brem?", meldete sie sich und seufzte frustriert auf, als am anderen Ende der Leitung eine wohlbekannte Stimme erklang.
"Hey Verena, hier ist Robin. Na, was machst du gerade schönes?"
"Woher hast du meine Nummer?"
"Das tut nichts zur Sache. Hört sich das nicht mysteriös an? Fast wie ein Mafiosi."
"Finde ich nicht. Was willst du?"
"Hab ich doch gesagt, ich will dein Freund sein. Und Freunde telefonieren miteinander. Mach mal die Tür auf!"
"Warum?"
"Na komm schon, mach es einfach!"
Verena stöhnte genervt und ging mit dem Telefonhörer in der Hand zur Tür. Sie öffnete, und vor ihr stand Robin mit seinem typischen Grinsen im Gesicht.
"Das wollte ich schon immer mal machen", gluckste er und legte auf. "In Filmen wirkt das immer total cool."

Er zwängte sich an ihr vorbei und sie fragte sich, warum sie ihn eigentlich immer wieder in ihre Wohnung ließ. Es war schließlich ihr Leben und ihr privater Raum. Aber die Nacht hatte sie zermürbt.
"Hey, du hast ja mein Bild aufgestellt. Siehst du, es gibt auch noch andere schöne Menschen außer Anna. Hast du schon etwas gegessen?", riss er sie aus ihren Gedanken. Er stand in der Mitte des Raums und sah schon wieder so unverschämt fröhlich aus. Er hatte wirklich alle Lebensfreude, die ihr in den letzten Monaten abhanden gekommen war.
"Nein", sagte sie mürrisch, um ihn zu vertreiben. Er machte sie nervös. Wenn er in ihrer Nähe war, dann fühlte sie sich irgendwie besser. Aber dafür war sie nicht bereit. Wieder glücklich zu sein würde bedeuten, einen Teil von Anna gehen zu lassen und das konnte sie nicht. Aber er ließ sich nicht vertreiben. Er blieb einfach da und heute war schon ihr drittes Treffen.
"Hast du denn mal meinen Test gemacht?", fragte er vergnügt. Verena schüttelte den Kopf.

"Ich hab das Essen weggeschmissen", sagte sie brüsk, aber wenn Robin irritiert war, ließ er es sich nicht anmerken.
"Oh, na gut", war alles, was er sagte. Plötzlich überkam sie der Drang, ihm zu sagen, warum sie es getan hatte. Obwohl er schon mehr Selbstbewusstsein besaß, als gut für ihn war, wollte sie ihm gestehen, dass seine Taktik besser gewirkt hatte als sämtliche Gespräche mit ihrer Psychologin. Verena war immer felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie Blut schmeckte. Frau Dr. Freundorfer hatte es ihr nicht ausreden können, immerhin steckte sie nicht in Verenas Haut und konnte somit gar nicht wissen, was sie schmeckte. Aber Robins Aufforderung, den direkten Vergleich zu wagen, hatte sie dazu gebracht zu zweifeln. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie nicht doch einen Unterschied schmecken würde. Und sie hatte Angst bekommen. Deshalb hatte sie die Lebensmittel weggeschmissen. Aber sie unterdrückte den Wunsch, ihm das zu sagen. Sie verstand nicht einmal, warum sie das tun wollte. Vielleicht, weil er keinen falschen Eindruck von ihr bekommen sollte.

Aber seit wann interessierte sie, was er von ihr dachte? Sie brauchte seine Absolution nicht und doch wünschte sie sich in diesem Moment brennend, dass er sie verstehen würde. Verena stockte der Atem. Erschrocken registrierte sie, dass sie durch ihn an ihrer Trauer zweifelte. Sie wollte, dass er nachvollziehen konnte, warum sie so handelte. Sie wollte, dass er ihr sagte, dass sie Schuld war. Sie wollte keine Absolution, sie wollte eine Verurteilung, damit sie selbst wieder vollkommen sicher sein konnte, dass sie Schuld war. Die Erkenntnis war beinahe zu viel für sie. Plötzlich bekam sie kaum noch Luft und ihr wurde schwindelig. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wusste, sie musste ihn wegschicken. Es war die einzige Möglichkeit, ihr bisheriges Leben aufrecht zu erhalten.
"Denk nicht so viel nach", durchbrach seine seltsam sanfte Stimme ihr Gedankenkarussell. Überrascht sah sie auf. Er lächelte gar nicht, sondern sah sie sehr ernst an.
"Du denkst zu viel", sagte er und tippte ihr gegen die Stirn. "Lass es."

Völlig verdattert starrte Verena ihn an. Aber die Berührung half ihr, wieder zu sich selbst zurückzufinden.
"Ach, und das kannst gerade du beurteilen, ja? Wo du doch in deinem Leben bestimmt schon so oft nachgedacht hast", fauchte sie und zog sich hinter ihre innere Schutzmauer zurück. Zu ihrer Überraschung lachte er. "Ja, ich glaube das kann ich", sagte er selbstgefällig. "Du bist ziemlich leicht zu durchschauen, weißt du?"
Verenas Miene wurde wieder wütend und Robin war sehr erleichtert darüber. Als sie eben so verwirrt und verzweifelt ausgesehen hatte, hatte er es mit der Angst zu tun bekommen. Eine wütende Verena kannte er. Damit konnte er umgehen. Aber er wusste nicht, wie er einer verzweifelten Verena helfen sollte. Damit hatte er keine Erfahrungen. Er war nicht gut im trösten, er konnte nur provozieren. Zum Glück hatte das geklappt, aber in der Zukunft hätte er vielleicht nicht so viel Glück. Was wäre, wenn er die wahre Verena enthüllte und damit einen Sturm entfesselte, den er nicht mehr aufhalten konnte? Verwirrt blinzelte Robin. Dann schob er die Gedanken weit von sich weg. Damit würde er sich befassen, wenn es so weit war.

"Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit mir Schlittschuh laufen gehen willst. Du kannst ja nicht immer hier herumhocken", wechselte er das Thema. Er fühlte sich jetzt wieder sicherer. Alles war so, wie es sein sollte. Selbst ihre Antwort war ganz wie erwartet.
"Nein. Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht nach draußen gehe."
Robin grinste. "Wollen wir vielleicht einen Film schauen?", fragte er und als sie den Kopf schüttelte, atmete er erleichtert auf. Ja, alles war wieder normal. Allerdings hatte er jetzt ein wenig sein Pulver verschossen. Er wusste selbst nicht so genau, warum er überhaupt schon wieder bei ihr war. Er wusste nur, dass ihm die Vorstellung einer Verena, die ganz alleine zuhause saß und den ganzen Tag nur über Anna grübelte, nicht behagte. Eigentlich wusste er ja kaum etwas über sie. Was sie gerne machte, was sie mochte und was sie nicht so gerne mochte. Sie sah ihn immer noch missbilligend an und er musste lächeln. Gut, vielleicht wusste er zumindest von einer Person, die sie nicht mochte. Leise summte er vor sich hin. Er wusste, dass seine sorglose Art sie verrückt machte.

Und Provokation war ein gutes Mittel, sie aus der Reserve zu locken. Aber als sie blitzschnell mit ihrer Hand nach seinem Arm griff und ihn festhielt, erschrak er dennoch.
"Meine Güte, du hättest doch einfach nur sagen brauchen, dass du ein bisschen Körperkontakt willst", witzelte er, aber sie sah ihn aus großen Augen an und keuchte: "Dieses Lied, bitte! Wie heißt es und von wem ist es? Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf."
Robin musste grinsen. Ihr war es vielleicht nicht klar, aber sie wirkte irgendwie süß, wie sie da so ungeduldig vor ihm stand. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Hatte er gerade wirklich gedacht, dass Verena süß sei?
"Das Lied heißt 'No no never' und ist von 'Texas Lightning'", sagte er, immer noch verwirrt. Enttäuscht ließ Verena ihre Hand sinken.
"Das kenne ich gar nicht. Ich dachte, ich werde diesen verdammten Ohrwurm los, wenn ich weiß, woher die Melodie stammt."
"Wie du kennst das Lied nicht? Das ist doch ziemlich bekannt", fragte er erstaunt, aber Verena schüttelte stur den Kopf.

"Nein, ich kenne es nicht. Zumindest nicht wissentlich", sagte sie dann und er musterte sie überrascht. So langsam bekam er eine Ahnung, aber dennoch sang er ein paar Zeilen für sie. Furchtbar schief, wie er befürchtete.
I’m never ever gonna leave when you’re lost in the storm
Never ever gonna not keep you safe where it’s warm
I never ever will desert you when your heart is torn
No, no, never
No, no, never
Never ever gonna not keep you safe where it’s warm
I never ever will desert you when your heart is torn
No, no, never
No, no, never
"Hab ich dir doch schon gesagt", erwiderte sie gereizt.
"Verena, hörst du denn kein Radio?", wollte er wissen und seine Ahnung bestätigte sich. Sie schüttelte den Kopf und presste die Lippen aufeinander.
"Und Fernsehen?" Er deutete auf das Fernsehgerät in der Mitte des Raums.
"Ist kaputt", war die leise Antwort. Robin war ehrlich entsetzt. Er wusste mittlerweile, dass sie sich vor allen Menschen abschottete, aber dass es so große Ausmaße angenommen hatte, hätte er nicht gedacht.

"Aber dann weißt du ja gar nicht, was im letzten Jahr alles passiert ist!", sagte er konsterniert und sie sah ihn empört an.
"Na hör mal, es gibt ja auch noch Zeitungen, oder? Ich weiß sehr wohl, was alles so passiert ist", sagte sie und fügte dann spitz hinzu: "Ich würde meinen, ich bin besser informiert als du."
Robin ignorierte ihre gehässige Bemerkung. Er glaubte zu verstehen, warum sie das tat. Oberstes Ziel ihrer Selbstbestrafung war offensichtlich die völlige Konzentration auf Anna als den Mittelpunkt ihres Lebens, Denkens und Handelns, ohne Zerstreuung durch Radio, Fernsehen oder andere Menschen. So ein Leben war ihm völlig fremd. Er konnte nicht nachvollziehen, warum jemand so etwas tat. Ihr musste doch selbst auffallen, dass es so nicht lange weitergehen konnte. Wie lange wollte sie ihr Leben so überhaupt aufrechterhalten?

Aber er fragte nichts dergleichen und sagte stattdessen: "Du musst hier auch mal raus. Das ist doch keine Art zu leben! Schau dir die Leute draußen an. Sie leben. Und an dir zieht das Leben vorüber. Sieh sie dir an!"
Verena sah tatsächlich einen Augenblick nach draußen. Autos fuhren auf der Straße. Ein Pärchen stritt sich lautstark. Ein paar Kinder spielten Fangen auf dem Bürgersteig. Hastig wandte sie ihren Blick vom Fenster ab, konnte aber nicht verhindern, dass Robin die Tränen in ihren Augen glitzern sah. Sie wischte sie schnell weg und sah beschämt zur Seite.
"Es geht dich nichts an, wie ich lebe. Es ist richtig so, wie es ist", sagte sie, aber ihr fiel selbst auf, wie unsicher sie klang. "Ich will es so", fügte sie hinzu und registrierte zufrieden, dass ihre Stimme diesmal sehr fest und entschlossen klang. Robin musterte sie einen Moment und zuckte dann mit den Schultern.
"Wie du meinst. Aber du wirst es irgendwann bereuen." Mit diesen Worten ging er zur Tür heraus. Sie war wieder allein. Aber seine Worte hallten in ihrem Kopf wider. Reue.
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So, das war es auch schon wieder. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen. Nö, ich mecker nicht (hab ja offizielles Verbot), aber dieses Kapitel gehört definitiv zu denen, die ich mal in einem Jahr oder so (mit gehörigem Abstand) überarbeiten werde.
LG Kuona
LG Kuona
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