Warum nicht mehr Arbeitslose ebenfalls 'ne Schule besuchen, um einen höheren Abschluss zu erreichen, versteh' ich z.B. nicht. Die Schule, die ich als erstes besuchen wollte, bekam keine Klasse zustande, weil es nicht genug Bewerber gab. Aber ne, stimmt schon, gar nichts tun ist natürlich praktischer als morgens aufzustehen und in der Schule auf seltsamen Kinderstühlen zu sitzen.
Das ist ganz einfach zu erklären:
Wenn man sich als Hartz IV-Empfänger für einen Kurs interessiert (der einen unter Umständen sogar tatsächlich nützen würde), muss der erstmal vom Amt genehmigt werden.
Meistens jedoch werden Kurse, die einen tatsächlich weiterbringen, abgelehnt, da man während des Unterrichtszeitraums dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht und nicht vermittelbar ist. Dabei ist es auch vollkommen uninteressant, ob der Kurs kostenlos ist oder nicht.
Stattdessen kann es passieren, dass man postwendend ein weiteres Bewerbungstraining absolvieren darf. Das sind eigentlich die Standardmaßnahmen. Auch schön sind "Maßnahmen zur Feststellung der Mobilität", wo man vier Wochen lang jeden Tag Eigenprofile erstellt und tatsächlich nur 8 Stunden sinnlos rumsitzt.
Als wir damals in dieser Situation waren, haben wir mit solchen und anderen Dingen zu kämpfen gehabt. Weitergebracht hat uns letztlich ein unverschämtes Glück, so dass wir aus dieser Spirale rausgekommen sind.
Ich hab' jetzt als Schüler übrigens auch nur mein Kindergeld (sofern der Antrag nach Monaten dann mal durchgeht) und den 400 Euro Job. 350 Euro "nur so" zum Ausgeben werde ich künftig wohl kaum noch haben, denn ich habe ja auch noch WG-Zimmer und Auto zu zahlen. Beim Arbeitslosen übernimmt zumindest die Miete der Staat und die 350 Euro bleiben für die Lebenshaltung.
Daran sehe ich, dass Du Dich irgendwie niemals tiefer mit dem Thema befasst hast, als es nötig wäre.
Hättest Du Dich in das Thema eingelesen, wüsstest Du, dass mitnichten die 350 Euro tatsächlich in vollem Umfang für die Lebenshaltung zur Verfügung stehen.
Die Miete wird übernommen, ja. Ebenfalls die Heizung, sofern man moderat heizt. Ansonsten muss die zu erwartende Nachzahlung selber getragen werden, die man dann monatsweise beim Amt abstottern darf.
Ich weiß noch, dass wir die Heizung im Winter kaum eingeschaltet haben. Stattdessen haben wir unsere Decken rausgekramt und Tee gekocht. Alles nur, damit wir im Frühjahr keine böse Überraschung erleben mussten.
Strom, Gas, ggfls Telefon oder Handy (zwecks Erreichbarkeit für potenzielle Arbeitgeber) müssen von diesen 350 Euro bestritten werden. Arztbesuche (Praxisgebühr sowie Medikamentenzuzahlung) müssen zumindest am Jahresanfang davon gezahlt werden. Hat man einen gewissen Betrag erreicht, so kann man bei der Krankenkasse unter Nachweis der Belege eine Befreiung beantragen. Das Geld bekommt man jedoch nicht erstattet.
Geht Dir dann noch die Waschmaschine kaputt oder nur die Schuhe, ist das auch Dein Problem. Dafür bekommst Du ja die 350 Euro, wovon Du Dir für solche Fälle bitteschön das Geld zurücklegen sollst.
Das Geld für die Fahrten zu Bewerbungsgesprächen bekommt man übrigens erstattet, das weiß ich definitiv. Ich glaube, zumindest beim ALG 1 bekommt man zudem auch die Fahrten zum Arbeitsamt bezahlt, sofern diese einen gewissen Betrag (waren es 4 Euro?) übersteigen.
Richtig, man bekommt es erstattet. Doch vorab muss man dieses Geld auslegen - wieder von den 350 Euro, die man ja zum Verprassen zur Verfügung hat. Egal, ob es eine Fahrkarte Preistufe B für 6 Euro ist oder eine Bahnfahrkarte für 60 Euro. Da heißt es dann, man soll im Bekanntenkreis fragen, ob man sich das Geld leihen kann. Macht man dies nicht (weil man diese Möglichkeiten nicht hat oder sich nicht verschulden will) und das Bewerbungsgespräch ist genehmigt, kann es Dir passieren, dass Du wieder Sanktionen aufgedrückt bekommst. Denn immerhin hast Du ja quasi vereitelt, dass es zu einer Anstellung gekommen ist.
Genauso verhält es sich mit den Bewerbungskosten. Auch dafür tritt man als Arbeitsloser in Vorleistung. Man muss Fotos machen, Mappen kaufen - den ganzen notwendigen Kram. Letztlich bekommt man dann stramme 5 Euro pro Bewerbung erstattet bis zu einem Fixbetrag pro Jahr - anderhalb Jahre nach Antragsstellung unter Umständen - wie es bei meinem Mann der Fall war. Schreibst Du mehr Bewerbungen jenseits des Fixbetrages, trägst Du diese Kosten ebenfalls komlett von Deinem Regelsatz.
Viel bleibt von den hochgelobten 350 Euro nicht übrig, um sich davon gesund zu ernähren oder gar ein kulturelles Leben zu bestreiten. Kino war für uns gestrichen, ebenso andere Aktivitäten, die Kosten verursacht haben.
Und trotzdem gab es am Ende des Monats dann manchmal nur eine Tütensuppe für 29 Cent, damit man wenigstens etwas Warmes im Bauch hatte.
Daher kann ich Menschen wie Taurec absolut verstehen in ihrer Verbitterung und Verzweiflung. Uns ging es damals nicht anders, irgendwann resigniert man in seiner Situation.
Selbst wenn ständig "Fördern & Fordern" propagiert wird, so sieht die Realität ganz anders aus. Und nur mit Fleiß und Willensstärke ist es quasi unmöglich einen Ausweg zu finden. Dazu gehört eine große Portion unverschämtes Glück - vor allem jenseits der 30.
EDIT:
Aufschlüsselung des Regelsatzes (PDF-Download)
Die seitdem erfolgte Erhöhung von 8 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen, kann man ja noch prozentual in Cent auf die einzelnen Positionen aufteilen.