Los geht´s.
In diesem Kapitel treten die Meduria-Girls
auf - Lunalumi Sim und Dark Mim Sim (kein Wunder bei dem Namen
).
Und wie ich schon in einem Kommi gesagt habe, verrate ich jetzt mal, dass dieses Kapitel ein entscheidendes ist, eins der Schlüsselkapitel.
Auch, wenn man das jetzt vermutlich noch nicht bemerken wird.
Angucken solltet ihr euch auf jeden Fall die Lupenbilder zu 11 und 13.
Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß!
Hitze. Die Hitze war allgegenwärtig; um mich herum, in mir, sie füllte meine gepeinigten Lungen mit jedem Atemzug.
Du hast Fieber, teilte mir die Stimme in meinem Innern mit.
Danke, dachte ich,
erzähl mir was, was ich noch nicht weiß.
Dann versank ich wieder im Nichts, gefangen in einer Welt aus Schmerz und Feuer; ohne jede Vorstellung davon, ob nur ein winziger Augenblick oder ganze Monde vergangen waren seit jenem Moment auf der Lichtung.
Ab und zu schreckte ich auf, durch laute Stimmen oder einen besonders heftigen Ansturm von Pein, aber ich war nicht in der Lage, zu sprechen oder auch nur die Augen zu öffnen.
Das Fieber wütete in meinem Körper und hielt mich fest in seinen Klauen.
Mein Geist trieb ziellos umher, manchmal dicht an der Oberfläche, aber dennoch unfähig, die dünne Schicht zum Bewusstsein zu durchstoßen; und immer öfter sank ich ungeahnte Tiefen, die mich an andere Orte führten und mich für kurze Zeit von meiner Qual befreiten.
Ich sah Ariadna, in Caer Mornas, mit ihrem unvermeidlichen Stickrahmen; sie summte ein kleines Liedchen, und in diesem Augenblick hasste ich sie mit aller Inbrunst, derer ich fähig war.
Ich schwebte ein Stück auf sie zu.
Wenn Du denkst, dass ich mich abstechen lasse, damit Du mir Artair wegnehmen kannst, hast Du Dich geschnitten, schleuderte ich ihr in Gedanken entgegen, und sie verstummte plötzlich und hob erschreckt den Kopf.
„Ist da jemand?", flüsterte sie, ihre Stimme klang angsterfüllt.
Überrascht wich ich ein Stück zurück. Hatte sie mich etwa gespürt? Aber bevor ich dem Gedanken nachgehen konnte, glitt ich schon wieder davon.
Ich war in Caer Umran, bei Shainara, die einsam auf einem Turm stand. Hielt sie Ausschau nach ihren Priesterinnen?
4
Hilf mir, Shainara, dachte ich, und sie drehte sich um; ihre Augen glitten suchend über die Plattform.
„Neiyra?", sagte sie unsicher, aber dann war ich schon wieder fort; und ich fand mich in einem Zelt wieder, in dem ich befremdlicher Weise auf mich selbst herabsah.
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Neugierig musterte ich mich, mit dem nüchternen, geübten Blick der Heilerin.
Na, das sieht nicht gut aus. Das war´s dann wohl.
Seltsamerweise berührte mich der Gedanke kaum; eine tiefe, friedvolle Ruhe umgab mich.
Eine Bewegung am Eingang erregte meine Aufmerksamkeit. Dort stand Artair, er sah müde und übernächtigt aus, er trug nur eine Hose und ein blutbesudeltes Hemd.
Bei ihm stand Brayan; er sah nicht besser aus.
„Du darfst nicht nachlassen", sagte Brayan, und seine Stimme klang gequält.
„Niemals", erwiderte Artair hart, „und wenn es mich umbringt."
„Ich reite, so schnell ich kann."
Hastig umarmte Brayan Artair, und dann schickte er sich an, das Zelt zu verlassen.
Nein, geh nicht! schrie ich, aber keiner der beiden schien mich zu hören.
Ich sterbe, und wenn ich sterbe, will ich euch beide an meiner Seite haben.
Und dann war Brayan fort.
Artair setzte sich auf einen Schemel neben die Trage, auf der mein Körper lag, und ergriff meine Hand.
Das Licht seiner Gabe begann zu pulsieren und hüllte uns beide ein; und ich spürte einen heftigen Sog, der mich zurück in meinen Körper zwang, zurück zu Qual und Hitze.
Das Licht war so gleißend, dass es durch meine geschlossenen Lider drang und mir in den Augen schmerzte.
Ich wehrte mich heftig, ich wollte nicht hier sein; aber Artair war stärker als ich, und es dauerte endlos lange, bis mich wieder gnädige Dunkelheit umhüllte und ich ins Nichts gleiten konnte.
Das nächste, was ich wahrnahm, war eine Gestalt, die langsam auf mich zukam, in einer Dunkelheit, die kein Ort war und in der Zeit keine Rolle spielte.
Zuerst dachte ich, es sei ein Kind; aber als die Gestalt sich näherte, erkannte ich, dass es eine sehr alte Frau war, die gebeugt auf mich zu humpelte.
Als sie mich erreicht hatte, richtete sie sich etwas auf und sah mir ins Gesicht.
„Ja", sagte sie dann und nickte zufrieden, „du bist die, die kommen soll."
„Wohin?", fragte ich neugierig.
„Nicht
wohin", antwortete sie. „Sondern
wann. So, wie es prophezeit wurde."
Fragend sah ich sie an, aber sie schien der Meinung zu sein, dass dies als Erklärung ausreichend sei.
„Wer bist Du?", versuchte ich es erneut.
„Mein Name ist Noreia", sagte die Alte. „Komm."
Sie streckte mir ihre Hand entgegen, und ohne zu Zögern ergriff ich sie.
Im nächsten Moment standen wir in einer großen, von Dunkelheit erfüllten Halle. Ich konnte das Deckengewölbe nicht sehen, und es war kalt, aber ich fröstelte nicht.
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„Sieh hin", sagte Noreia, „sieh ganz genau hin."
Dann verschwand sie.
Aufmerksam sah ich mich um. Der Boden bestand aus einem dunklen, glänzenden Material, ebenso wie die Wände; ich konnte keine Fugen erkennen.
In Brusthöhe zog sich ein Band aus gemeißelten Schriftzügen ringsum, auch auf dem Boden bildeten sie ein kompliziertes Muster. Ich konnte die Schrift nicht lesen.
Als ich einen Schritt nach vorne trat, flammte direkt vor mir ein blaues Licht auf, und vorsichtig blieb ich stehen.
An der Wand vor mir stand eine Schale auf einem Sockel, beides tiefschwarz, und in der Schale brannte ein blaues Feuer.
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Ich drehte mich um mich selbst, und ich konnte drei weitere Schalen auf identischen Sockeln erkennen, jeweils in der Mitte einer Wand und durch Linien und Symbole auf dem Boden miteinander verbunden.
Nacheinander ging ich auf sie zu, aber sie blieben kalt und dunkel, kein Feuer loderte in ihnen auf, als ich mich ihnen näherte.
Als ich Stimmen hörte, die aus einem Raum nebenan zu kommen schienen, schwebte ich entschlossen auf die Wand zu.
Es gab keine Tür, aber ich befand mich außerhalb meines Körpers, was sollte mich schon aufhalten?
Leicht glitt ich durch die dicke Wand, und ich gelangte in ein Gewölbe; tiefe Furchen und Risse durchzogen die steinernen Wände und den Boden.
Das erste, was mir ins Auge fiel, war eine Art riesige Glaskugel, die auf einem Sockel gleich jenen in der Halle zu schweben schien.
In ihrem Innern wogten milchige Schwaden durcheinander, ähnlich wie Rauch; sie erinnerten mich an etwas, und ich runzelte nachdenklich die Stirn, aber es wollte mir nicht einfallen.
Dann hörte ich die Stimmen wieder, und ich wandte mich um.
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In der Mitte des Raums loderte ein Feuer, in einem Kessel darüber brodelte eine Flüssigkeit.
Drei Frauen standen um ihn herum, hielten ihre Hände darüber und intonierten gemeinsam einen seltsamen Singsang.
Ich kam etwas näher und glitt um den Kessel herum, und dann konnte ich erkennen, dass die Frau, die mir bei meinem Eintreten den Rücken zugewandt hatte, Meduria war.
Erschreckt trat ich ein paar Schritte zurück, aber sie schien mich nicht zu bemerken.
Sie zückte einen Dolch, und die beiden anderen Frauen taten es ihr gleich.
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Mit einer raschen, vollkommen gleichzeitigen Bewegung schnitten sie sich in den Handballen, ballten die Hand zur Faust und ließen jeweils drei Tropfen ihres Blutes in den Kessel fallen, während ihr Gesang lauter und lauter wurde.
Meduria riss die Arme hoch, warf den Kopf in den Nacken, und eine Stichflamme schoss aus dem Kessel.
In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür, die ich bislang nicht bemerkt hatte, weil sie im Dunkel verborgen lag, und
Er betrat den Raum.
Er trug nur eine Hose und eine Art offene Kutte, seine Brust darunter war nackt.
Langsam kam er näher, und die beiden Frauen wichen zurück, aber Meduria hob nur den Kopf und sah ihn unverwandt an.
Dicht vor ihr blieb er stehen.
„Wie kommst Du voran?", fragte er, und der Klang seiner Stimme, so schmerzlich vertraut, ging mir durch und durch.
„Gut", erwiderte Meduria. „Wir sind fast so weit."
Sie hob die rechte Hand und wollte sie auf seine nackte Brust legen, aber mit einer blitzschnellen Bewegung fing er ihre Hand ein und hielt sie auf.
Sein Griff war so hart, dass ich ihre Knochen knacken hören konnte, aber sie verzog keine Miene.
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„Tu das nie wieder", sagte Runcal kalt. „Versuch nie wieder, mich zu berühren."
Sie lachte spöttisch. „Immer noch so unversöhnlich?"
Langsam lockerte Runcal seinen Griff und ließ Medurias Hand los.
„Bis an mein Lebensende", sagte er. „Du hast mir alles genommen."
Meduria lächelte. „Ja, das ist wahr", erwiderte sie genüsslich.
„Und ich habe dir auch alles gegeben. Du wolltest nie sehen, dass große Macht auch ein großes Opfer erfordert. Du wolltest immer alles, aber jeder muss bezahlen."
Runcal sah sie an, sein Gesicht zeigte keine Regung; aber dann fuhr sein Kopf hoch, und er sah mir genau ins Gesicht.
Kalte Furcht stieg in mir auf.
„Sieh mal an, wen wir da haben", sagte er.
„Sie ist schon eine ganze Weile hier", erwiderte Meduria.
Sie drehte sich um und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Kessel; mit einer raschen Geste winkte sie die Frauen heran, und die beiden begannen, die Flüssigkeit in kleine Phiolen zu füllen.
Meduria hob den Kopf und sah mich ebenfalls an.
Die farblosen Augen hefteten sich mit grausamer Intensität auf mich.
„Sie sieht uns zu", sagte sie.
„Und es geht ihr schlecht, sie scheint im Sterben zu liegen. Das erspart uns die Arbeit. Wieder eine weniger von Rhiannons Bälgern."
Runcal schlenderte zu der Glaskugel, blieb davor stehen und schnippte mit dem Finger dagegen.
Ein heller Ton erfüllte den Raum, und der Rauch im Innern wirbelte schneller, schien zurück zu weichen und vor ihm fliehen zu wollen.
„Das wäre schade", sagte er träge.
.
„Du magst sie wohl?" Medurias Stimme klang spöttisch.
„Du hast mich daran gehindert, in ihren Geist einzudringen."
„
Mögen ist zu viel gesagt", sagte Runcal langsam.
„Ich finde sie amüsant. Und Du hast doch nicht ernsthaft gedacht, dass ich Dir die Kleine alleine überlasse – ich habe sie für meine eigenen Zwecke gebraucht.
Der schnellste Weg zu Artairs Tod führt über sie. Zum jetzigen Zeitpunkt käme es mir nicht gelegen, wenn sie sterben würde, aber falls es geschieht, finden wir einen anderen Weg.
Sterben muss sie auf jeden Fall, früher oder später; das ist unvermeidbar."
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Er sah mir direkt in die Augen und lächelte, und ich fragte mich, warum mir das Grau seiner Augen jemals warm vorgekommen war.
Die Konturen um mich herum begannen zu verschwimmen, und ich spürte, dass ich zurück glitt; der Sog, der mich in meinen Körper zurückzog, war stärker denn je.
Ich kämpfte dagegen an; der Schmerz und die Hitze, zu denen ich zurückkehrte, waren unerträglich, aber ich war zu schwach.
Ich konnte Artair deutlicher spüren als zuvor, und mir wurde klar, dass er seinen eigenen Schutz fallen gelassen hatte und mich dadurch stärker an sich und an meinen Körper band.
So sehr ich es auch versuchte, es war mir unmöglich, mich seinem Griff zu entziehen.
Mit aller Kraft gelang es mir, kurz die Augen zu öffnen, ich wollte Artair anflehen, mich doch loszulassen; aber ich brachte kein Wort über meine Lippen.
Ich weiß nicht, wie lange ich so lag.
Die einzige Linderung war der stete Strom aus Licht, der von Artairs Hand in meinen Körper floss, und der einzige Trost waren seine Augen, die für mich zum Fixpunkt geworden waren in einer Welt, die nur aus Schmerz und Feuer bestand.
Doch irgendwann, nach einer Ewigkeit, so schien es mir, ließ Artairs Wachsamkeit plötzlich nach.
Jemand hatte das Zelt betreten und beanspruchte seine Aufmerksamkeit.
Mühsam versuchte ich, die mir verbliebenen Kräfte zu bündeln und entwand mich Artairs Griff, und sanft sank ich nach unten, in eine tröstliche, kühle Dunkelheit, die mich wie ein lindernder Lufthauch sanft umschloss, und die dann nach und nach in einen Wirbel aus warmer, strahlender Helligkeit und nie zuvor gesehenen Farben überging, der mich rasch fortzog.
Plötzlich hörte ich eine Stimme.
„Neiyra?", fragte sie, und das Gesicht meiner Schwester tauchte auf.
„Caitlin?"
Erstaunt sah ich sie an, und sie kam auf mich zu und zog mich in ihre Arme.
Sie waren weich und sanft, ein zarter Duft umschloss mich, und ich fühlte mich glücklich.
Caitlin sah mir ins Gesicht und strich mir eine Strähne aus der Stirn.
„Du bist so groß geworden", sagte sie staunend, und dann lachte sie froh.
„Kommst Du mit mir?"
„Ja", sagte ich, und sie ergriff meine Hand.
In diesem Augenblick schoss ein Blitz aus blendendem Licht aus der Dunkelheit, die über uns lag, und ich konnte Artairs Präsenz wieder spüren, stärker als jemals zuvor.
Brennende Schnüre schienen sich um mich zu wickeln und rissen mich von Caitlin fort, zogen mich unaufhaltsam nach oben, zurück zu Schmerz und Qual, und ich weinte und schrie und kämpfte verbissen dagegen an.
„Es ist schon gut, Neiyra", sagte Caitlin sanft und strich mir über die Wange.
„Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Wir werden uns wiedersehen."
Sie verblasste mehr und mehr, und Artairs Licht wickelte sich immer enger um mich, schnürte mich ein, nahm mir jede Luft zum Atmen, bis es mich ganz und gar zu durchdringen schien.
Artair war da, seine Präsenz war überwältigend, und er war unnachgiebig, ich konnte es deutlich spüren.
Er würde mich nicht gehen lassen, und erschöpft gab ich meinen Kampf auf.
Immer schneller und schneller wirbelten wir nach oben, immer heller und gleißender wurde das Licht, bis alles in einem riesigen Feuerball zu explodieren schien, und mich endlich gnädige Dunkelheit umgab.
Als ich die Augen aufschlug, umfing mich ein seltsam angenehmes Gefühl, als schwebte ich schwerelos im Nichts.
Die Schmerzen in meiner Brust, zuerst nur ein dumpfes Pochen, verstärkten sich wieder, aber sie waren nicht mehr so schlimm wie zuvor, ich konnte sie gut aushalten.
In meinem Kopf herrschte eine angenehme Leere, kein Gedanke störte mich.
Ich spürte ein Gewicht auf meinem Schoß und sah nach unten.
Artairs Kopf lag auf meiner Decke, er schlief.
Gedankenverloren strich ich über sein Haar, und er wachte ruckartig auf.
Müde fuhr er sich über die Augen, dann zuckte er zusammen und sah mich an.
„Neiyra?", flüsterte er, seine Stimme klang heiser, in seinem Blick lag Angst.
Ich sah auf meine Hand hinunter, die in Artairs lag, und es schien mir so, als ginge ein schwaches Licht von den beiden verschlungenen Händen aus.
Und schlagartig kam meine Erinnerung zurück, und mir wurde klar, was geschehen war.
Erschrocken blickte ich auf und sah in Artairs müdes Gesicht, auf dem sich jetzt Erleichterung ausbreitete.
Nein.
Er hatte wirklich keine Ahnung, was er getan hatte. Und was er damit angerichtet hatte.
Aber ich wusste es. Ich wusste es.
Und ich war mir der Konsequenzen völlig bewusst.
Ich sah in seine blauen Augen und las darin Erschöpfung und Dankbarkeit.
Und ich schwieg.
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