25. Februar 2041
Offizielle Verlautbarungen des Staatsrates
Begrüßung neuer Staaten
Die Republik Kurland-Beloruthenien beehrt sich, alle neuen Staaten mit vorzüglicher Hochachtung begrüßen zu dürfen und benutzt diesen Anlass, selbstredend um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen sowie die Einrichtung von Botschaften in der jeweiligen Hauptstadt zu ersuchen. Bitte genehmigen Sie unser Ansinnen als Ausdruck höchster Wertschätzung.
Boscoulis löst sich auf – Spontane Jubelfeiern im ganzen Land
Düster war in den vergangenen Wochen und Monaten die Stimmung im Land. Erst die immer bedrohlicher werdenden Spannungen um die Ereignisse in Kyiv und schließlich der überraschende Angriffskrieg gegen Preußen sorgten für ernste Mienen bei den Menschen. In diese unheilvolle Zeit fiel jedoch auch eine unerwartete, aber dafür umso heller strahlende frohe Botschaft: Die komplette Politkaste, der nach der vollständigen Entgliederung durch die ESUS nur noch rudimentär vorhandenen sogenannten „Demokratischen Republik Restboscoulis“ legt sämtliche Ämter nieder und ermöglicht dem gescheiterten Staat somit endlich den dringend benötigten Neuanfang. Aber auch noch in der letzten Phase des Untergangs macht man in Boscoulis andere für das eigene Scheitern verantwortlich, diesmal die böse ESUS. Uns ist nicht bekannt, dass die Boscoulier gezwungen wurden in das Bündnis einzutreten; vielmehr hatten sie sich doch aus freien Stücken um eine Aufnahme in dieses bemüht, weil sie sich davon Vorteile versprachen. Die Tatsache, dass Boscoulis nun von den eigenen Verbündeten „wie ein Kuchen“ aufgeteilt wurde, und dies schlussendlich zum Totalzusammenbruch führte, ist für Kurländer und Beloruthenen der Zuckerguss auf eben diesem Kuchen, sozusagen die Kirsche auf der Sahnetorte. Aber nicht allen ist zum Feiern zumute. Händler versuchen noch schnell ihre Vorräte an besonders leicht brennenden Boscoulis-Flaggen an den Mann zu bringen und locken mit Sonderaktionen: „Kaufe 4, verbrenne 5!“, „Eine Flasche Brennspiritus beim Kauf von 10 Flaggen gratis!“. Eine andere Branche blickt optimistischer in die Zukunft; das Malerhandwerk freut sich auf zusätzliche Aufträge zur Beseitigung der nun obsoleten aber großflächigen „Down with /Death to Boscoulis“-Wandbilder, die an zahlreichen öffentlichen und privaten Gebäuden prangen und jedermann daran erinnerten, dass die Vernichtung Boscoulis‘ seit 2035 erklärtes Staatsziel war. Viele altgediente Offiziere vergossen Tränen der Freude, dass sie dieses hehre Ziel noch erfüllt sehen konnten. Der kommenden Regierung wird sich nun die Aufgabe stellen, ein anderes Land zu finden, das man zum Feindbild aufbauen kann, um von den eigentlichen Problemen im eigenen Land abzulenken.
Mit Schiffsgeschwindigkeit in die Zukunft
Ein Schiff mit brisanter Fracht aus der Republik Lago ist in Caltanien eingetroffen. Bei dem Gefahrgut handelt es sich um Brennelemente der Firma Soctane, die für das Kernkraftwerk Tschernoblyk in Beloruthenien bestimmt sind, das nach fast 10-jähriger Bauzeit dieses Jahr ans Netz gehen soll.
Die Brennelemente werden unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen im militärischen Bereich des Farburger Hochseehafens auf ein Binnenschiff umgeladen und dann über Far, Chyna-Vlod-Kanal, Chyna und Kamerv zum Bestimmungsort bei Tschernoblyk transportiert.
Kernkraftgegner, Umweltschutzverbände und grüne Politiker kündigten mannigfaltige gemeinsame Protestaktionen entlang der Strecke an. Man werde die unheilvolle Fracht vom Beginn bis zum Ende des Transports bunt, lautstark und medienwirksam begleiten, so die Vorsitzende der Menschen-Tiere-Natur-Partei.
Ein Großaufgebot von Polizei und Miliz wird im Einsatz sein, um die Proteste zu überwachen und den reibungslosen Ablauf der Verschiffung vor Störaktionen zu schützen. Für Unbehagen bei den Demonstranten sorgt zudem, dass lagonnisches Sicherheitspersonal die hiesigen bewaffneten Organe unterstützen wird. Der Einsatz ausländischer Kräfte stellt ein Novum dar und wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf, besonders da nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu gewalttätigen Zusammenstößen kommt, haben doch Polizei und Miliz in der Vergangenheit bei Großeinsätzen im Zweifel auf die bewährten schlagkräftigen Argumente gesetzt.
Parteineugründung
Im zentralbeloruthenischen Kamunsk fand der Gründungsparteitag einer neuen Partei statt, die bereits bei den diesjährigen Volkskongresswahlen antreten will. Das Bürgerbündnis Beloruthenien (BBB) entsteht aus der Vereinigung verschiedener Initiativen, die sich die Wahrung der Interessen der Bevölkerung im dünnbesiedelten und landwirtschaftlich geprägten Beloruthenien auf die Fahnen geschrieben haben und die besonders gegen Großprojekte von zweifelhaftem Nutzen kämpfen, mit denen die Beloruthenen „beglückt“ werden und die ohne Rücksicht auf die Bevölkerung durchgepeitscht werden. Dazu zählen u.a. die Schnellfahrstrecke zwischen Smolensk und Orel in Kyiv (damals noch Chimeran), auf der bis heute noch nie ein Zug gefahren ist; das Kernkraftwerk Tschernoblyk, das mitten in die Kornkammer des Landes gesetzt wurde; sowie die Anlage großflächiger Monokulturen für die Biospritherstellung. Außerdem wird den etablierten Parteien, egal ob links oder rechts, vorgeworfen, nichts gegen die ausufernde Korruption zu unternehmen, weil es auch die eigenen Parteimitglieder sind, die nach Gutdünken mit Posten versorgt werden und die Lokalpolitik und Behörden zu Selbstbedienungsläden verkommen lassen.
Politikexperten sind uneins, ob die junge Partei bereits bei ihrer ersten Wahl den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen kann. Zuerst kommt es jedoch darauf an, die für eine Zulassung erforderlichen 100.000 Unterschriften zu erlangen. Eine Voraussetzung, die nach Ansicht vieler Kritiker bewusst so hoch angesetzt wurde, um die etablierten Parteien vor zu viel Konkurrenz zu schützen. Die Regierungssprecherin weist dies entschieden zurück und betont die Notwendigkeit, einer zu starken Zersplitterung der Parteienlandschaft entgegenzuwirken, die zu unklaren Mehrheitsverhältnissen im Volkskongress führen würde.
Als erste medienwirksame Aktion kündigte das BBB die Teilnahme an den Protesten gegen den Atomtransport nach Tschernoblyk an.
Neujahrsempfang des Präsidenten
Beim jährlichen Empfang des diplomatischen Corps durch den Präsidenten der Föderation in Vlodostok gab es wieder reichlich Möglichkeiten bei Schaumwein und Häppchen Kontakte zu pflegen und Informationen auszutauschen. Als besonders gut aufgelegter Scherzkeks erwies sich der oder die gemischtrassige schwulesbische barnische Botschafter(in), welche(r) die trockene Veranstaltung mit satirischen Betrachtungen zum Weltgeschehen auflockerte und dabei das osteuropäische Krisengebiet treffend als Moskyiv zusammenfasste.
Präsident Mironow nutzte die Gelegenheit, um den scheidenden ajinesischen Föderationspräsidenten Musa mit dem Stern der Völkerfreundschaft zu ehren. Aus Rücksicht auf den angeschlagenen Gesundheitszustand des erst kürzlich nach einem Schlaganfall aus dem Krankenhaus entlassenen Musa, verzichtete man auf eine Einladung nach Vlodostok und überreichte die Auszeichnung dem Botschafter der Ajin Föderation, der sie mit den besten Genesungswünschen weiterleiten wird. Präsident Mironow würdigt damit Musas Verdienste um die Aussöhnung nach dem SSV-Persia-Naos-Konflikt und seine steten Anstrengungen, die Beziehungen zwischen Caltanien und der Ajin-Föderation auf kulturellem, wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Gebiet nachhaltig zu vertiefen.
Keine Augenweide: der Stern der Völkerfreundschaft. Gestaltungsvorschläge sind gern gesehen.
Verwirrt
Wie vertragen sich die „Sonderverträge“ zwischen der UNAS und Medirien mit den Statuten von ESUS und GEWR?
Verwundert
Caltanische Außenpolitiker äußerten sich verwundert über den überaschenden Austritt Vireniens aus der ESUS, zählte man das iberische Land doch bisher zu den Eckpfeilern des Bündnisses.
Verheiratet
Präsident Mironow sieht sich durch die diplomatischen Gepflogenheiten genötigt, ein Glückwunschschreiben an Principe Alejandro und Prinzessin Izel de Atahualpan anlässlich ihrer jüngst vollzogenen Eheschließung zu senden. In den hiesigen Medien spielte dieses „Ereignis“ hingegen keine Rolle.
Verweht
Ausgeweht hat es sich für die bisherige Flagge des freien Staates Eldorado, die ohne Vorankündigung oder Erklärung über Nacht durch eine neue ersetzt wurde. Nationale Symbole haben in unserer Welt ohnehin nur eine sehr geringe Lebensdauer.
Vertauscht
Die sich im Skørnvar-Konflikt abzeichnende Lösung wird begrüßt. Wir hoffen, dass der Landtausch zeitnah vollzogen wird und dieses wenig schmeichelhafte Kapitel zu den Akten der nordamerikanischen Geschichte gelegt werden kann.
Verblüfft
Millionen Menschen werden wohl im hohen amerikanischen Norden die Staatsangehörigkeit wechseln. Die kalte Gegend ist erstaunlich dicht bevölkert, was - zur Schande des hiesigen Bildungssystems - in Caltanien bisher leider nicht bekannt war.
Verkehrt
In einer großangelegten konzertierten Aktion von Kriminalpolizei und Miliz wurden landesweit Freudenhäuser und illegale Bordelle durchsucht. Dabei wurden zahlreiche Waffen und Drogen sichergestellt; außerdem konnten 6 minderjährige Prostituierte aufgegriffen werden. Einhelliges Medienecho: Offensichtlicher Aktionismus des Staatsrates für Innere Sicherheit, um vor den Wahlen wenigsten einmal positiv aufzufallen.
Verdacht
Zu viele Themen senken die Bereitschaft, diese erschöpfend zu behandeln.
Ende der amtlichen Bekanntmachungen