Kapitel 16
Versuchung
Nervös blickte sich Marie um. Unsicherheit und Anspannung spiegelten sich in ihrem Gesicht. Sie wusste nicht, ob sie das Richtige tat. Einem ersten Impuls nach wollte sie einfach wieder umkehren und weglaufen. Doch was würde Casimir Graf dann von ihr denken? Schließlich konnte Marie diesem, schon bedingt durch ihren Beruf, nicht so einfach aus dem Weg gehen. Er war ein Gast – noch dazu ein sehr guter. Ihn jetzt zu verärgern wäre gewiss keine gute Entscheidung. Aber konnte man jemanden wie ihn, einen Mann von Welt, überhaupt vor den Kopf stossen? Die junge Frau drehte nervös eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern, welche sich aus der Hochsteckfrisur gelöst hatte.
Immer noch klang seine Stimme in ihren Ohren nach. So angenehm männlich und ein wenig rau verströmte sie einen besonderen Reiz. Marie musste zugeben, dass sie davon gefesselt und fasziniert zugleich war.
„Es ist mir eine Ehre, ein solch zauberhaftes Wesen wie Sie auszuführen. Damit machen Sie mich sehr glücklich.“ Diese Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte sich wirklich erfreut angehört, direkt gelöst und heiter. Marie erschien es eine Ewigkeit, seid auch sie diese Heiterkeit versprüht hatte.
Die Entscheidung, was nun zu tun war wurde ihr in diesem Augenblick abgenommen. Vor ihr stand plötzlich Casimir Graf. Galant verbeugte er sich vor Marie, deutete einen Handkuss an und öffnete ihr ganz gentlemanlike die Türe seines Autos. Marie hatte gar nicht gemerkt, wie der attraktive Mann direkt neben ihr geparkt hatte.
Bevor ihr überhaupt bewusst wurde, was sie da tat, sass sie neben Casimir im Auto. Er hatte eine sehr sensible und doch kräftige Hand, welche sicher auf dem Steuer ruhte. Sein Seitenprofil verströmte viel Ruhe und auch ein wenig Überlegenheit. So, wie es wohl bei Menschen seiner Klasse üblich war.
Allzu deutlich war Marie bewusst, in welcher Lage sie sich befand. Doch darüber nachdenken ließ sie nicht zu. In der jungen Frau meldete sich der Trotz. Warum sollte sie nicht einmal in dieser schweren Zeit für ein paar Stunden alle Sorgen vergessen? Hatte nicht auch sie das Recht dazu, sich einmal für kurze Zeit wohl zu fühlen?
„Sie sind so still. Gerade eben waren Sie auch völlig in Gedanken versunken. Ist Ihnen meine Gesellschaft so unangenehm?“ Er warf ihr ein solch charmantes Lächeln zu, dass Maries Herz unbewusst ins Stolpern geriet. Himmel, dieser Mann war einfach eine Nummer zu gross für sie. Aber auch diesen Gedanken verwarf sie ganz schnell
.
„Oh, natürlich nicht Herr Graf, es ist nur…“ Casimir unterbrach seine Begleiterin energisch. „Nennen Sie mich Casimir, Herr Graf klingt so steif. Ich darf bestimmt Marie zu Ihnen sagen, wäre das recht?“ Wieder dieses zauberhafte Lächeln, welches seine strahlend weissen Zähne freigab.
Wer konnte dagegen noch etwas einwenden? Unsicher begann Marie von vorn: „Natürlich sind Sie mir nicht unangenehm, Herr Gr…, äh, ich meine Casimir. Es ist nur alles so ungewohnt.“
Er drückte kurz ihre schlanke Hand. „Vertrauen Sie mir, es passiert nichts, dass nicht auch Ihr Wille ist. Jede Entscheidung liegt allein bei Ihnen.“
Wie er Marie jede Freiheit ließ, imponierte dieser. Langsam entspannte diese sich in seiner Gegenwart.
Er fuhr mit ihr zu einem sehr schönen, kleinen Lokal ausserhalb der Stadt. Es lag etwas abseits und verströmte eine gemütliche Atmosphäre. Verwundert blickte sich Marie um, als ihr natürlich wieder galant die Autotüre von ihrem Begleiter geöffnet worden war.
„Überrascht?“ Er lächelte erneut.
„Hhm…zugegeben, dass hatte ich nicht erwartet. Ich dachte, Sie entführen mich in eins dieser Nobelrestaurants.“ Verschämt blickte sie wieder auf den Boden. „Entschuldigen Sie, ich wollte nicht abwertend klingen.“
Er grinste breit. „Ach was, ich kann Sie sogar verstehen. Aber auch wenn ich so wirke, so brauche ich all diesen Luxus und die Markenzeichen nicht. Ich entdeckte das Restaurant zufällig gestern bei einer Rundfahrt durch die Stadt. Dabei musste ich sofort an Sie denken.“ Dass er in Wirklichkeit mit einer Dame unterwegs gewesen war, verschwieg er wohlweislich. Das war schließlich für diesen Abend nicht von Bedeutung.
Die Atmosphäre des Lokals war einmalig schön und gemütlich. Überall standen Grünpflanzen und verströmten ihren zarten Duft.
Casimir steuerte einen Ecktisch an, welcher etwas abseits stand. Dadurch waren die zwei völlig unterschiedlichen Menschen unter sich. Zu essen wählten beide zarte Schweinefilets mit hausgemachten Spätzle und Salat.
Zu Trinken bestellte Casimir einen vorzüglichen Rotwein. Marie wurde kurz unwohl, dachte sie doch mit Schaudern zurück. Daran, was passiert war als sie zum letzten Mal Alkohol getrunken hatte. Aber es erschien ihr äusserst unhöflich, jetzt abzulehnen.
„Sie mögen doch Rotwein, oder? Diese Marke ist ein sehr guter Jahrgang, schön mild und vollmundig. Er wird Ihnen schmecken.“
Marie nickte nur und nippte kurz darauf an dem wirklich guten Rotwein. Dennoch wollte ihr dieser nicht so recht schmecken.
Casimir bemerkte die Unruhe der Frau natürlich, verhielt sich daher ausgesprochen zurückhaltend und ihr angepasst. Er wusste, wie er mit seinem Charme spielen konnte. Viele Frauen waren schon an seiner Seite gewesen. Aber keine hatte ihn so gereizt wie Marie.
Sein Verhalten bewirkte, dass sich Marie langsam deutlich entspannte. Casimir begann, locker zu plaudern und ihr kleine Geschichten aus seinem Leben zu erzählen. Dies geschah so heiter und frohsinnig, dass auch der letzte Rest Befangenheit von ihr abfiel. Sie lachte bald so herzhaft, dass Casimir innerlich triumphierte.
Es wurde auch weiterhin ein sehr schöner Abend. Marie hielt sich diesmal deutlich zurück, was den Alkohol betraf. Casimir akzeptierte dies und drängte die wirklich hübsche Frau nicht zu einem weiteren Glas. Wenn er ans Ziel kommen wollte, dass war ihm bewusst, musste er ihr Wesen akzeptieren und auf alles eingehen, was sie tat. Das Marie einen grossen Kummer mit sich herum trug, war ihm klar. Danach zu fragen kam Casimir jedoch nicht in den Sinn. Er war kein guter Zuhörer, noch weniger versprühte er das Gefühl der Hilfsbereitschaft. Das waren alles Dinge, welche in seinem Leben völlig fremd waren. Gewohnt, immer und überall bedient zu werden und im Mittelpunkt zu stehen, lag es ihm fern sich als Psychologe darzubieten.
Marie selbst ahnte von diesen nicht unbedingt schönen Gedanken nichts. Die Gegenwart dieses Mannes schaltete all ihre Sinne und jeglichen vernünftigen Gedanken aus. Wenn sie in sein Gesicht blickte, führte ihr Herz ein Eigenleben. Schon die Nacht mit Cedrik schien etwas in ihr verändert zu haben. Dazu kamen die drückenden Schuldgefühle, die Angst um Susan und die alles umfassende Unsicherheit. Casimir Graf wusste, er würde heute Abend an sein Ziel kommen. Wie, war ihm völlig gleichgültig. Er wusste auch, dass Marie ihm blind vertraute. Dies auszunutzen war gewiss keine feine, englische Art…doch das war Casimir gleichgültig.
Text by FunnyChrissy
Fotos by Innad
Wir hoffen, dass Kapitel gefällt euch! Innad hat vor kurzem Fotos auf Vorrat geschossen, weil sie einen Lauf hatte.

Davon profitiert die Story jetzt natürlich sehr, auch wegen der Schnelligkeit. Danke an meine Innad und weiterhin viel Kraft für die kommenden Wochen!!
Eure Chrissy