Hier kommt nochmal das wegen der Forumprobleme verlorengegangene Teil.
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„Du bist wieder da!“ rief Eilan und umarmte Caillean glücklich. „Hat Lhiannon dir verziehen?“
Caillean lächelte. „Es ist alles vergessen. Deshalb, mein Kind, habe ich dich rufen lassen. Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem du dich entscheiden sollst, ob du wirklich Priesterin werden und deine Gelübde ablegen willst.“
„Wird Dieda ebenfalls die Gelübde ablegen?“
„Das ist eine Frage, die nur die Göttin und Dieda beantworten können“, erwiderte Caillean ernst. „Wir reden jetzt von dir.“
Eilan zögerte. „Wenn mich die Göttin noch haben möchte, denn meine
erste Liebe habe ich einem Mann geschenkt.“
„Die Göttin wird dir nicht verübeln, was vor deinem Gelübde war.“ Sie lächelte glücklich. „Ich habe Lhiannon endlich gesagt, was mir widerfahren ist, und genau das hat sie mir geantwortet. Eilan, ich bin von einer großen Last befreit.“
„Was wird man von mir verlangen?“
„Du muss schwören, dein Leben lang keusch zu bleiben. Es sei denn, der Sommerkönig macht dich zu Geliebten und Mutter. Du gelobst, immer danach zu streben, den Willen der Göttin zu folgen, und all jenen, die in IHREN Namen von dir verlangen, was IHREM Gesetz entspricht... oder dem Gesetz aller Göttinnen.“
Eilan sagte feierlich: „Das alles werde ich bereitwillig schwören...“
„Dann wirst du unter Beweis stellen, dass du gemeistert hast, was wir dich gelehrt haben, und dich der Prüfung unterziehen, mit der die Göttin zeigt, dass SIE dich in IHREM Schrein aufnimmt. Du verstehst, dass ich nicht über die Prüfung sprechen kann, denn für jede Anwärterin ist sie anders.“
Eilan unterdrückte einen Schauer. Sie hatte Gerüchte gehört von Anwärterinnen, die die Prüfung nicht bestanden hatten und Vernemeton verlassen mussten. Aber noch schlimmer, einige waren spurlos verschwunden.
Sie überwand ihre Ängste jedoch schnell und erwiderte entschlossen: „Ich bin bereit, mich der Prüfung zu unterziehen.“
„Gut, dann soll es geschehen. Am Vollmond vor Samhain
(also im Oktober) wirst du deine Gelübde in Anwesenheit aller Priesterinnen ablegen.“
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Der Vollmond blickte wie ein wachsames Auge vom Himmel. Als der Gesang der Priesterinnen, die Eilan an diesen Platz geführt hatten, verhallte und die Stille der Nacht sie umgab, überkam sie inneres Frösteln, obwohl es nicht sehr kalt war.
Ihre Prüfung bestand nur darin, durch den Wald zurück zum Schrein zu gehen. Das schien nicht besonders schwierig zu sein.
Eilan wollte die Aufgabe so schnell wie möglich hinter sich bringen und eilte durch den Wald. Aber sie war noch nicht sehr lange gelaufen, als sie erschrocken feststellte, dass sie sich verirrt hatte. Eilan blieb stehen, atmete bewusst tief und langsam.
Ich muss ihnen beweisen, dass ich mit meiner inneren Ausrichtung den Weg finde.
Sie konzentrierte sich auf die nicht nachlassende Kraft der Erde unter ihren Füßen. Eilan öffnete alle ihre Sinne und wurde zu einer Brücke zwischen Himmel und Erde. Ihre Angst war verschwunden. Ihr Bewusstsein war klar und ruhig wie der heilige See.
Eilan öffnete die Augen. Wenn sie sich für eine Richtung entschied und lange genug lief, dann würde sie irgendwann den Waldrand erreichen. Leise singend ging sie weiter.
Plötzlich stellte sie fest, dass sie mehr sah, als das Mondlicht ihr zeigen konnte. Alles Leben im Wald hatte einen eigenen Glanz angenommen, ein Strahlen, das zunahm, bis sie schließlich ebenso gut sah wie am helllichten Tag. Mit einem leichten Schauer erkannte Eilan, dass sie die Grenze zwischen den Welten überschritten hatte.
Eilan blickte sich um und sah, dass in dem Wald Bäume gab, die sie nicht kannte. Der betäubende Duft ihrer Blüten machte sie benommen. Sie ging zuversichtlich weiter, so dass sie beinahe das Ziel vergaß. Nur ganz leise meldete sich die Stimme der Vorsicht und sagte ihr, dass die Verführung der Sinne vielleicht die größte Gefahr bei dieser Prüfung sein mochte.
Eilan schloss die Augen.
„Göttin, hilf mir! Ihr Kräfte an diesem Ort, ich verneige mich vor euch...“, flüsterte sie. „Erweist mir eure Gunst und zeigt mir den Weg, den ich gehen muss...“
Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie einen breiten Weg, der von großen Steinen angefasst war. Dahinter sah sie einen Sehe, dessen Wasser hell schimmerte.
Mit angehaltenem Atem ging Eilan durch die hohen Steine zum See.
Ein Windstoß kräuselte die Wasseroberfläche. Als sich die Wellen wieder glätteten, sah Eilan in der Tiefe das Meer. Sie versenkte sich ganz in diesen Anblick.
Weit draußen im Meer lag eine Insel mit steilen Klippen, auf deren hoch oben weiße Tempel standen. Eilan sah eine Frau in weißen Gewand, die auf das Meer hinaus blickte. Goldene Ringe schmucken ihre Arme und den Hals. Ihre Haare waren leuchtend rot, aber sie hatte Cailleans Augen.
Dann änderte sich das Bild. Das Meer erhob sich wie eine Wand und verschlang die Bäume und die Tempel. Doch bevor die Insel in den Fluten versank, flohen Schiffe vom Ufer in alle Richtungen. Sie folgte einem Schiff nach Norden.
Dann sah sich Männer, die an langen Seilen riesige Steinblöcke zu einem Platz zogen. Der Mann, der das Bau des Steinrings beaufsichtigte, erinnerte sie an ihren Vater. Er beriet sich mit einem anderen, der wie Gaius aussah und tätowierten Drachen auf seinen Unterarmen hatte.
Ein starke Wind wehte über das hohe Grass der Ebene, und als er sich legte, hatte sich das Bild wieder verändert.
Eilan staunte über die Folge der Generationen und neuen Stämme, die in das Land kamen. Immer wieder erkannte sie ein Gesicht oder sah eine vertraute Geste. Sie sah sogar sich selbst wie eine Königin in einem Wagen sitzen.
Als sie wieder zu sich kam, stand sie an dem heiligen See. Aber sie war nicht allein.
Der Mann trug als Umhang das weiß befleckte Fell eines Stiers und sein Kopfschmuck wurde gekrönt von einem mächtigen Hirschgeweih und Falkenflügeln. Sie schauderte, denn es war das Gewand der Druiden, das sie nur für die höchsten und heiligsten Rituale anlegten.
Eilan verneigte sich und fragte dann: „Wer bist du?“
Aus seinen Augen leuchteten so viel Weisheit und Macht, wie sie noch bei keinem Sterblichen gesehen hatte.
„Ich habe viele Gestalten angenommen und hatte viele Namen. Aber hier und jetzt bin ich der Merlin von Albion.“
Eilan hielt den Atem an. Es hieß, dass der Merlin nur den größten Druiden in der anderen Welt begegnete.
„Was willst du von mir?“
„Das ich die Stunde der Zukunft, in der sich viele Wege kreuzen, aber nur mit deiner Einwilligung. Der Weg, der sich vor dir öffnet, verlangt, dass du alles gibst.“
Er trat auf sie zu. In seiner Nähe war die Kraft, die er ausstrahlte, so überwältigend, dass sie Mühe hatte, seinen Blick zu erwidern.
„Die Stunde ist da, um auf die alte Weise eine Priesterin zu machen“, fuhr er sanft fort. „Man hat dir gesagt, dass eine Priesterin Jungfrau sein muss. Aber das stimmt nicht. Eine Priesterin der Göttin gib sich dem Mann, dem König ihrer Wahl, zu ihrer Zeit und nach ihrem Willen. Sie gibt, aber sie wird niemals genommen. Sie zeigt dem heiligen König ihre Bereitschaft, damit er den Segen der Kraft seiner Königin zuteil werden lässt und so das Leben im Land sich erneuern kann.“
„Und das willst du von mir? Wie kann ich es tun? Ich weiß es nicht.“
„Du weißt es nicht, aber die Göttin in dir... Es ist meine Aufgabe, SIE in dir zu erwecken.“
Eilan stockte der Atem. Er warf den Umhang ab, und sie sah, dass er nackt war. Dann neigte er sich über sie und küsste sie sanft auf die Stirn.
Mit einer noch nie erlebter Klarheit fühlte sie sich von einer weißen Flamme entzünden, die nach unten glitt, als er ihre Lippen küsste, ihre Brüste und dann kniete, um ihren Leib mit seiner Kraft zu verschmelzen. Ihr ganzes Ich vereinigte sich mit ihm. Sie wusste nicht, ob diese Einheit ein Teil von ihr war oder ein Teil von ihm – oder IHR. Das alles war nicht wichtig.
„Den Feind, den du besiegen willst, musst du lieben.
Den Gesetz, dem du folgen sollst, musst du brechen.
Das, was du behalten willst, musst du opfern.
So wirst du siegen!
Tochter der Druiden,
Durch dich wird der Drache wiedergeboren.“
In ihrem Bewusstsein jagten Bilder von Blut und Macht, von Schlachten und Städten.
„
Du bist meine Geliebte.
Du gehörst mir
Von Jahrhundert zu Jahrhundert,
Durch alle Zeiten.“
Eilan wusste, dass sie diese Worte schon einmal gehört hatte. Es war nur die Erneuerung eines alten Bandes.
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Als Eilan zu sich kam, lag sie in kühlem Wasser. In nächsten Augenblick griffen viele Hände nach ihr und trugen sie ans Ufer. Sie öffnete staunend die Augen und erkannte, dass sie in dem Badeteich lag, der sich nicht weit hinter dem Haus der jungen Frauen befand.
Sobald sie aus dem Wasser kam, wurde ihre Haut trocken und leuchtete. Schweigend hülten die Frauen sie in ein neues, mitternachtsblaues Leinengewand, das nur die geweihten Priesterinnen trugen.
„Du bist zwischen den Welten gewandert. Du hast das Licht gesehen, der keinen Schatten wirft. Du bist gereinigt worden...“
Eilan erkannte Cailleans stimme.
Lhiannon erwartete sie im Fackellicht unter hohen alten Bäumen. An ihrer Seite stand Eilid und vor ihr Dieda. Als Dieda sich umdrehte, waren ihre Augen so groß und benommen wie Eilans Augen. Ihre langen Haare waren feucht.
Es ist schön, dass wir unser Gelübde zusammen ablegen!
Während diese Gedanke Eilan mit großer Freude erfüllte, sah sie Dieda lächeln, und es war das Lächeln der Göttin.
Eilan sah sich langsam und staunend um. Alle Priesterinnen hatten sich versammelt. In jedem Gesicht spiegelte sich das silberne Licht der anderen Welt, und manchmal sah Eilan die Ähnlichkeit mit Gestalten, die sie in ihren Vision gesehen hatte, die sich im Lauf der Zeiten veränderten, aber in ihrem Wesen gleich blieben.
Warum fürchten die Menschen den Tod, wenn wir wiedergeboren werden?
Eilan hörte die Worte der Rituals, als sei es ein Traum. Sie legte ohne Zögern ihre Gelübde ab, denn das wichtigste Versprechen, das alle anderen umfasste und das über ihnen stand, hatte sie bereits der Göttin in der anderen Welt gegeben.